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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Haar tänzelte sie über die Straße auf das Tor zu, das zum Herrenhaus führte. Dort blieb sie stehen und winkte ihnen, wobei sich unter dem bauschigen rosa Sweater ihre aufgerichteten runden Brüste deutlich abzeichneten.
    Wexford winkte zurück und wandte sich dann lachend ab. »Jede Wette, die will Ihnen auch den Kopf verdrehen!«
    »Eine gräßliche junge Person«, meinte Burden kühl.
    »Ich finde sie reizend.«
    »Lieber Himmel, wenn ich denke, meine Tochter...«
    »Um Gottes willen, Mike. Auch ich bin ein verheirateter Mann und ein treuliebender Gatte.« Sein Grinsen verschwand, als Wexford sich über den stattlichen Bauch strich. »Viel anderes bleibt mir ja auch nicht übrig. Aber manchmal...« Er seufzte. »Mein Gott, was würde ich nicht darum geben, noch einmal dreißig zu sein! Sehen Sie mich nicht so an, Sie kaltherziges Monstrum. Da ist ja schon die dreckige Hütte, hoffen wir bloß, daß wir uns bei unserer nachmittäglichen Arbeit nichts Schlimmeres holen als eine nostalgie de boue.«
    »Eine was?« fragte Burden, während er versuchte, das Gartentor zu öffnen, ohne mit den Brennesseln in Berührung zu kommen, die es überwuchert hatten.
    »Das ist nur ein langer Name für eine Art chronische Seuche«, erklärte Wexford mit einem wehmütigen Lächeln. Beim Anblick von Burdens ungläubig mißtrauischer Miene lachte er hellauf. »Keine Sorge, Mike, sie ist nicht ansteckend und befällt nur die Alten.«

5
    Nicht nur das Gartentor, sondern auch die Haustür überwucherten Nesseln und ihr Gegengift, der Ampfer. Ehe sie noch die Möglichkeit hatten, den Türklopfer zu betätigen, hob sich ein grauer Spitzenvorhang, in den man größere Löcher hineingeschnitten hatte, und ein Gesicht kam zum Vorschein.
    »Ich weiß nicht, was Sie wollen, aber Sie müssen an die Hintertür kommen.«
    Das seitliche Gartentor fiel um, als sie es aufdrückten. Mit einem Achselzucken legte Wexford es auf ein üppig sprießendes Unkrautbeet. Der hinter dem Haus gelegene Garten war ein verwahrlostes Stück Land inmitten einer idyllischen Landschaft; vor dem Hintergrund des prächtigen Walds hob sich das Fleckchen Erde mit hüfthohem Gras, Löwenzahn, umgestürzten Wellblechen und kaputten Hühnerställen wie ein Loch im schwarzen Samt ab. Ein einigermaßen ordentlicher Schuppen nahm eine der hinteren Ecken des Grundstücks ein; Lumpenbündel, grüne Glasflaschen und eine Matratze, die aussah, als hätte man sie als Zielscheibe für Bajonettübungen benutzt, verbargen seinen Sockel. Zwischen dem Unkraut entdeckten sie einen Emailnachttopf und mehrere zerbeulte Kochtöpfe. Wexford fiel auf, daß ein Tor im hinteren Zaun direkt in den Wald führte.
    Die Hintertür ging plötzlich auf, und die Frau, die am Fenster mit ihnen gesprochen hatte, steckte den Kopf heraus.
    »Was wollen Sie?«
    »Mrs. Lovell?«
    »Höchstpersönlich. Was wollen Sie?«
    »Kurz mit Ihnen reden, wenn’s recht ist«, sagte Wexford gewandt. “Wir sind Polizeibeamte.«
    Sie musterte die beiden mit argwöhnisch mißtrauischen Blicken. »Geht wohl um die Frau vom Herrenhaus drüben. Kommen Sie lieber rein. Seine Lordschaft hat gesagt, daß Polizei in der Gegend ist.«
    »Seine Lordschaft?« fragte Burden nach. Gingen die hohen Kreise, in die sie so unverhofft hineingeraten waren, in noch höhere Kreise über, zu denen sogar Adlige zählten?
    »Mein Sohn, Sean«, erklärte Mrs. Lovell und holte den Inspector wieder auf den Teppich. »Kommen Sie schon. Sie können in den Salon gehen, wenn Sie möchten. Hier entlang.«
    Dieses euphemistisch als Salon bezeichnete Zimmer war nicht ganz so schmutzig wie die Küche, doch auch hier roch es nach Gemüse, einer schon länger undichten Stelle in der Gasleitung und leicht nach Gin. Die Einrichtung bestand aus einer neuen und bereits verfleckten hellrosa Sitzgarnitur und einer bunten Ansammlung alter Möbelstücke und modernen Kitschs. Die Queen lächelte reserviert von einem Kalender herab, der zwischen Postern von den Rolling Stones und einem großen Ölschinken an der Wand hing, auf dem eine römische Dame zu sehen war, die sich erdolchte.
    Vom Gesicht her sah sie Mrs. Lovell nicht unähnlich, doch was die Leibesfülle anging, konnte sie nicht mit ihr in Vergleich treten. Mrs. Lovells noch immer hübsches Gesicht erinnerte durch die Hakennase, die vollen, geschwungenen Lippen und die schwarzen Augen stark an eine Zigeunerin. Schwarzes, zottiges Medusenhaar fiel ihr bis auf die Schultern. Das Gesicht hatte ihre

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