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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Blumenkästen auf allen Fensterbänken und den sechs schmiedeeisernen Balkons an der Fassade herausgeputzt wie Bauernmädchen am Sonntag. Uneingeweihte hätten hinter dem Eigentümer dieses Hauses eine finanziell unabhängige alte Jungfer mit einem Gartentick vermutet. Innerlich lächelnd stieg Wexford die Stufen zur Haustür hinauf und zog den Kopf ein, um nicht an einen Hängekorb voller leuchtend bunter Lobelien und feuerwehrroter Geranien zu stoßen. Ausnahmsweise war die Gasse nicht mit den Autos von Marriotts Gästen vollgestopft. Doch es war noch früh und ging gerade erst auf sieben Uhr zu.
    Marriott persönlich kam an die Tür, in roter Samtjacke und Ripsband, in der einen Hand ein Glas Spargelspitzen.
    »Hallo, alter Junge, was für eine nette Überraschung! Noch vor kaum fünf Minuten habe ich gesagt, wie unglücklich ich bin, weil du mich so im Stich läßt, und schon stehst du auf der Matte. Die Antwort auf das Gebet eines armen Sünders. Wäre es nicht prima, sagte ich gerade, wenn der gute alte Reg Wexford heute abend aufkreuzen würde?«
    Wexford gehörte der Generation und sozialen Schicht an, die immer fast in Ohnmacht fällt, wenn sie von flüchtigen Bekannten mit Vornamen angesprochen wird, und er zuckte innerlich zusammen, doch selbst er mußte zugeben, daß, ganz gleich, welche Fehler Marriott auch haben mochte, niemand einen so herzlich empfangen konnte wie er.
    »Ich war gerade in der Gegend«, sagte er. »Außerdem wollte ich sowieso mit dir reden.«
    »Und ich habe mich danach gesehnt, wieder mal mit dir zu reden, womit wir schon zu zweit wären. Herein mit dir, oder willst du zwischen Tür und Angel reden? Du bleibst doch zu meiner Party, nicht? Nur eine kleine Feier, ein paar alte Freunde, die nach den netten Sachen, die ich über dich erzählt habe, alle darauf brennen, den großen Chief Inspector persönlich kennenzulernen.«
    Wexford sah sich in die Diele gezerrt und in Richtung von Marriotts Salon geschoben. »Was feiert ihr?« Er holte tief Luft und brachte den Vornamen über die Lippen. »Was gibt es denn zu feiern, Lionel?«
    »Vielleicht war »feiern« das falsche Wort, alter Junge. Es handelt sich eher um so etwas wie eine Die-Todgeweihten-grüßen-dich-Zusammenkunft, wenn du verstehst, was ich meine.« Er sah Wexford forschend ins Gesicht. »Offenbar nicht. Aber ein vielbeschäftigter Mann wie du kann auch kaum wissen, daß heute der letzte Ferientag ist und es morgen wieder zurück zu den pickligen Rackern geht.«
    »Aber natürlich«, sagte Wexford. Er erinnerte sich nun wieder, daß Marriott am Ende der Ferien immer eine Party gab und seine Schüler an der King’s-Schule stets als die »pickligen Racker« bezeichnete. »Bleiben kann ich aber nicht. Ich fürchte, ich komme ungelegen und störe dich bei den Vorbereitungen zu der Party.«
    »Kein bißchen! Du weißt gar nicht, wie überglücklich ich bin, dich zu sehen, aber deine frostige Miene sagt mir, daß du an etwas Anstoß nimmst.« Marriott breitete in dramatischer Geste seine kurzen Arme aus. »Sage mir, was habe ich getan? Was habe ich gesagt?«
    Als er in den Salon kam, sah Wexford in einer Ecke eine improvisierte Bar aufgebaut, und durch den Bogen, der zum Eßzimmer führte, fiel sein Blick auf eine überladene Tafel, auf der zwischen achtlos verstreuten weißen Rosen Brathühner, kalter Braten und ein ganzer Lachs angerichtet waren. »Wie ich sehe«, sagte er, »habe ich mich wohl geirrt in der Annahme, daß du mit Elizabeth Nightingale eng befreundet warst.«
    Marriotts lebhafte Miene erstarrte und wurde plötzlich kummervoll, ob aufrichtig, wußte Wexford nicht zu sagen. »Ich weiß, ich weiß. Ich müßte in Trauer sein und geradezu in Sack und Asche gehen. Glaube mir, Reg, ich trage die Asche im Herzen. Aber mal angenommen, ich würde allen diesen lieben Leutchen absagen und das gebratene Fleisch den Schweinen der Mästerei in Pomfret vorwerfen, was hätte das für einen Wert? Würde sie dadurch wieder lebendig? Würde Quentin deshalb eine Träne weniger um sie weinen?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    “Lieber Reg, dein Tadel trifft mich schwer. Laß mich dir etwas zu trinken anbieten. Einen Whisky, einen Pernod oder einen Champagnercocktail? Und vielleicht ein Scheibchen gebratene Ente dazu?«
    Wexford nahm Platz, wie stets überwältigt. »Dann eben einen kleinen Whisky, aber nichts zu essen.«
    »Ich muß wohl ein Ausgestoßener sein. Du weigerst dich, mein Salz zu essen.« Marriott trottete kopfschüttelnd an

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