Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
weit über ihnen rauschte.
»Eine von der Bombenserie, die ein deutsches Flugzeug hier auf dem Weg zur Küste abwarf. Es war ein Volltreffer, der Villiers père und mere auf einen Schlag ins Jenseits beförderte.«
»Wo waren die Kinder?«
“Denys war beim Fischen, und Elizabeth hatte man losgeschickt, um ihn nach Hause zu holen. Es geschah am frühen Abend, so gegen sieben. Die Kinder der Villiers’, Elizabeth und Denys, waren vierzehn beziehungsweise elf.«
»Was ist aus ihnen geworden?«
»Es wurde eine ziemlich seltsame und höchst ungerechte Übereinkunft für sie getroffen«, sagte Marriott. »Denys kam zu dem Bruder seiner Mutter und schnitt dabei sehr gut ab. Dieser Onkel war ein nicht unvermögender Rechtsanwalt und schickte Denys zunächst auf eine Privatschule und dann nach Oxford. Die arme Elizabeth blieb aber bei ihrer Tante, der Schwester ihres Vaters, die sie mit fünfzehn aus der Schule nahm und bei Moran’s anfangen ließ, dem Textilgeschäft.«
Auf Wexfords Miene spiegelte sich das Staunen, das Marriott erhofft hatte. »Mrs. Nightingale war Verkäuferin in einem Textilgeschäft?«
»Ich dachte mir schon, daß dich das vom Hocker reißt. Diese alte Hexe Priscilla Larkin-Smith tratscht bei ihren Bekannten immer noch von den Zeiten, als Elizabeth Villiers ihr Korsetts anpaßte.«
»Wie hat sie Nightingale kennengelernt?«
“Oh, das kam erst viel später«, sagte Marriott. »Elizabeth blieb nicht lange bei Moran’s. Sie riß nach London aus und suchte sich einen Job, das schlaue junge Ding. Möchtest du noch einen Scotch, Süßer?«
»Nein, wirklich nicht. Weißt du, Lionel, ohne diese Dingsda oben und ihre Vorgängerinnen könnte man bei dir fast - wie soll ich mich ausdrücken - gewisse absonderliche Neigungen vermuten. Du drückst dich manchmal reichlich zweideutig aus.«
Marriott lächelte affektiert, als er das hörte, schien jedoch keinen Anstoß daran zu nehmen. “Als Tunte bin ich gar nicht übel, was? Ich werde immer wieder darauf angesprochen. Reine Pose, das kann ich dir versichern. Komm, laß mich nachschenken.«
»Na, von mir aus.« Das Wasser wurde aus der Wanne gelassen, und das Tappen von Hypatias Füßen im oberen Stock war zu hören. »Haben sich die Geschwister in London getroffen?«
Marriott zündete sich eine russische Zigarette an und blies Rauchringe in die Luft. »Damit kann ich leider nicht dienen.« Er wirkte geknickt. Wexford wußte, wie er es haßte, wenn er zugeben mußte, daß ihm irgendeine Einzelheit aus dem Privatleben eines Freundes unbekannt war. »Ich habe keinen von ihnen wiedergesehen, bis ich erfuhr, daß Quentin das Herrenhaus gekauft hat.« Er schenkte ihnen noch einmal ein und ging zu seinem Sessel zurück. »Als wir hörten, es seien neue Leute in das Herrenhaus gezogen, habe ich meine Frau natürlich mal bei ihnen vorbeischauen lassen. Du kannst dir vorstellen, wie überglücklich ich war, als ich erfuhr, wer diese Mrs. Nightingale war.«
»Ich weiß nicht so recht, ob ich mir das vorstellen kann«, meinte Wexford. »Schließlich war sie ein fünfzehnjähriges Kind und du in den Dreißigern, als ihr euch das letzte Mal gesehen hattet.«
»Du legst aber auch jedes impulsive Wort von mir gleich auf die Goldwaage! Selbstverständlich wollte ich damit nur sagen, daß es nett war, jemand wiederzusehen, den ich von früher her kannte, außerdem war Elizabeth stets eine sehr amüsante Gesellschafterin. Eine echte Schönheit, verstehst du, und welchen Stil sie hatte! Ich liebe diese klassischen englischen Blondinen.«
»Du solltest wieder heiraten«, sagte Wexford.
Marriott sandte einen verschlagenen Blick gen Himmel und äußerte sich in Epigrammform: »Ein Mann, der wieder heiratet, verdient es nicht, daß er seine erste Frau verliert.«
»Zuweilen schockierst du mich«, sagte Wexford. »Apropos Ehe, wie klappte denn die der Nightingales?«
»Sie waren ein glückliches Paar. Wenn du und deine Frau nie über etwas anderes sprechen als über das Wetter, von vorn und hinten bedient werdet, kinderlos und sexuell gleichermaßen frigid seid, worüber kann man dann streiten?«
»So war das also mit ihnen? Und darf ich fragen, wie du darauf kommst, daß sie frigide waren?«
Marriott rückte unruhig in seinem Sessel hin und her. “Tja, dazu genügt ein Blick auf Quentin... Außerdem mußt du ein paar Vermutungen schon gelten lassen, Reg.«
»Die Vermutungen überlaß ruhig mir. Kommen wir noch mal auf früher zurück, vor fünfzehn oder sechzehn
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