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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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die Bar, wo er zwei Riesengläser Vat 69 einschenkte. Wexford war sich im klaren, daß Widerspruch zwecklos war. Innerlich grinsend ließ er den Blick über das Zimmer schweifen. Obwohl er wußte, daß viele der Antiquitäten unglaublich kostbar und die Kronleuchter ohnegleichen waren und jeder in der Stadt, der Geschmack hatte, Marriott um die Raumausstattung beneidete, erinnerte Wexford sein Salon immer an eine Kreuzung zwischen der Wallace Collection und einem italienischen Restaurant in der Old Brompton Road. Die Wände bedeckte eine flaschengrüne Tapete, die ein smaragdgrünes Prägemuster zierte und auf der goldgerahmte Spiegel hingen. Auf sämtlichen Tischen standen Kollektionen von Stiluhren, Tabatieren und Crown-Derby-Porzellannippes. Ein Gast hätte Angst gehabt, sich überhaupt zu bewegen, wenn er nicht genau gewußt hätte, daß, ganz gleich, welchen Schaden er auch anrichtete, Marriott nur ein Lächeln dafür übrig haben und sagen würde, es spiele überhaupt keine Rolle, da die Anwesenheit des Gastes mitsamt seiner Ungeschicklichkeit so überaus viel wertvoller sei als irgendein unbelebter Gegenstand.
    Das Geklapper von Absätzen aus dem Küchenbereich verriet ihm die Anwesenheit einer dritten Person im Haus, und als er seinen dreistöckigen Whisky entgegennahm, kam eine Frau mit einem Tablett zum Vorschein, auf dem noch mehr Essen aufgetürmt war. Sie war eine große Blonde, etwa Mitte Vierzig, und trug an beiden Handgelenken Armreife, die bei jeder ihrer Bewegungen wie Glöckchen gegeneinanderschlugen.
    »Das ist Hypatia, mein Amanuensis«, sagte Marriott und ergriff ihren Arm. »Du machst dir keine Vorstellung, welch komische Blicke ich ernte, wenn ich sie so vorstelle. Die Leute sind eben schlicht ungebildet, nicht? Das ist Chief Inspector Wexford, Liebes, unser Friedenshüter.«
    Von Marriotts Bemerkungen unbeeindruckt, streckte ihm Hypatia gelassen eine große Hand entgegen.
    »Sie wird uns nicht stören«, sagte Marriott, als wäre sie gar nicht vorhanden. »Sie wird ein Bad nehmen und sich schöner machen denn je. Nur zu, Patty.«
    »Bist du sicher, daß das Essen reicht?« fragte Hypatia.
    »Ganz sicher. Gallenkoliken wie beim letztenmal wollen wir schließlich nicht noch einmal erleben. Also, Reg, jetzt kannst du den Großinquisitor spielen. Ich bin zwar untröstlich, daß du mich nicht nur zum Vergnügen besuchst, aber ich mache mir nichts vor.« Marriott hob sein Glas. »Trinken wir auf kleine Gefälligkeiten!«
    »Äh - prost«, sagte Wexford. Er wartete, bis die Frau gegangen war und das Gluckern in den Wasserleitungen an sein Ohr drang. »Ich möchte etwas über die Nightingales erfahren, alles, was du mir sagen kannst.« Er grinste. “Ich weiß, von gutem Geschmack oder dummem Skrupel, wie daß man von Toten nur Gutes reden soll, wirst du dir keinen Zwang antun lassen.«
    »Ich hatte Elizabeth sehr gern«, begann Marriott in leicht gekränktem Ton. »Wir kannten uns von Kindesbeinen an. Spielten sozusagen im gleichen Sandkasten.«
    »Dann mußt du ein verdammt zurückgebliebenes Kind gewesen sein«, sagte Wexford spitz. »Sie war gute fünfzehn Jahre jünger als du, also mach dir nichts vor.«
    Marriott rümpfte die Nase. »Offenbar bist du heute morgen mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden.«
    »Ob mit dem linken Fuß, weiß ich nicht. Jedenfalls viel zu früh für meinen Geschmack. Du kanntest sie also, seit sie geboren wurde? Wo war das?«
    »Selbstverständlich hier. Hast du nicht gewußt, daß sie und Denys hier zur Welt kamen?«
    »Ich weiß eigentlich noch gar nichts über sie.«
    »Ah, das hab ich gern. Völlige Unwissenheit. Wie ich schon immer den pickligen Rackern erkläre, selig sind, die da hungert und dürstet nach Aufklärung, denn sie sollen satt werden, und wenn ich’s ihnen mit der Querlatte einprügeln muß. Jedenfalls kamen sie tatsächlich hier zur Welt, in einer klammen Bruchbude unten an der Kingsbrookschleuse. Ihre Mutter kam aus London und stammte aus recht guter Familie, aber ihr Vater war ein waschechter Kingsmarkhamer. Er arbeitete als Schriftführer bei der Gemeinde.«
    »Also waren sie nicht gerade wohlhabend?«
    »Arm wie die Kirchenmäuse, mein Bester. Elizabeth und Denys besuchten die staatliche Schule, und zweifelsohne würde ihr Vater heute noch den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, wenn nicht die Bombe dazwischengekommen wäre.«
    »Was für eine Bombe?« fragte Wexford, als die Tür zum Bad zugeschlagen wurde und es im Wasserbehälter

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