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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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die Adresse auf den Päckchen erinnern?«
    »Sie sagt, die von ihr aufgegebenen Päckchen hätten nur Sachen enthalten, die Mrs. Nightingale nach Holland schickte, außer letzten Dienstag, dem Tag, an dem Mrs. N. ermordet wurde. Damals brachte sie zwei Päckchen zur Post, eins für ihre Mutter in Holland, und noch eines. Auf die Adresse hat sie nicht mal einen Blick geworfen.«
    Wexford zuckte mit den Achseln. »Na ja, einen Versuch war’s wert, Mike. Tut mir leid, daß Ihr Sonntagnachmittag dabei draufging. Aber vergewaltigt wurden Sie nicht, oder?«
    »Nightingale war die ganze Zeit dabei.«
    »Wie Sie von ihm sprechen, könnte man ihn für die Krankenschwester im Sprechzimmer eines Arztes halten«, sagte Wexford. »Jedenfalls gehe ich jetzt selbst nach Myfleet, ich will mich bloß noch mal im Wald umsehen und vielleicht mit Mrs. Cantrip reden. Ihnen rate ich, nach Hause zu gehen. Falls Anrufe kommen, kann man die zu Ihnen durchstellen.«
    Es mochte Tage dauern, es mochte Wochen dauern, doch irgendwann würde man Twohey finden. Und dann, dachte Wexford, als er an der King’s-Schule vorbeifuhr, würde er reden. Er würde in Wexfords Büro sitzen und durch die Panoramafenster in die Weite des hellblauen Himmels starren wie Hunderte skrupelloser Gauner vor ihm, doch im Unterschied zu ihnen würde er keine Veranlassung haben, den Mund zu halten. Eine lange Haftstrafe erwartete ihn, ob er nun aussagte oder sich ausschwieg. Wahrscheinlich würde er gern reden, um sich an der Toten und ihrer ganzen Familie zu rächen, denn diese Geldquelle war nun versiegt.
    Und was würde er sagen? Daß Villiers’ Liebe zu seinem Schwager von der Sorte war, wie sie ihre engstirnige Gesellschaft nicht tolerieren konnte? Daß Elizabeth eine Reihe von Geliebten gehabt hatte, die dem Alter nach Kinder von ihr hätten sein können? Oder daß Villiers und Elizabeth vor langer Zeit in ein Verbrechen verwickelt gewesen waren?
    Plötzlich mußte Wexford an das ausgebombte Haus denken, in dem ihre Eltern umgekommen waren. Damals waren sie noch Kinder gewesen, aber auch Kinder hatten schon Morde begangen... Zwei Menschen, unter Trümmern begraben, aber noch am Leben, Eltern, die dem Fortkommen ihrer Kinder im Wege standen. Villiers hatte gewiß einen großen Vorteil durch ihren Tod gehabt. Seine Schwester nicht. Lag darin der Schlüssel zum Ganzen?
    Twohey würde es wissen. Der Gedanke, Twohey könnte möglicherweise der einzige sein, der noch am Leben war und es wußte, und sich nun in aller Gemütsruhe verkriechen, war schrecklich frustrierend für Wexford. Und es mochte Tage dauern, vielleicht Wochen...
    Weiter nach Myfleet. Die Kirchenglocken von Clusterwell läuteten zur Abendandacht, und kaum waren ihre Schläge hinter ihm verklungen, hörte er vor sich das Geläut von Myfleet, acht Glocken, deren dröhnendes Wechselläuten die Abendluft erfüllte.
    An Mrs. Cantrips Haustür hing ein Zettel: Bin zur Kirche. Komme um 19.30 zurück. Für jeden Einbrecher die reinste Einladung, dachte Wexford, nur konnte er sich nicht entsinnen, daß in den letzten zehn Jahren jemals in Myfleet eingebrochen worden war. Die umstehenden Bäume verbargen Verbrechen von größerer Tragweite. Er wandte sich um, und die gelbbraune Katze, die ausgesperrt war und zwischen den Blumen herumstrich, schmiegte sich an seine Beine. Tief atmete er den Duft der den ganzen Tag über von der Sonne überfluteten Kiefern ein. Wexford ging in den Wald. Er schlug den Weg ein, den Elizabeth Nightingale an jenem Abend gegangen war, und er folgte ihm bis zu der Lichtung, auf der sie sich Burdens Ansicht nach mit Twohey getroffen hatte und Wexfords Ansicht nach - ja, was getan hatte?
    Vielleicht hatte Burden trotz allem wieder recht. Diese Päckchen waren vielleicht nicht mit der Post geschickt, sondern persönlich übergeben worden. Beträge von dieser Größenordnung hätte sie wohl kaum lose mit sich in der Handtasche herumgetragen. Außerdem hatte sie keine Handtasche mit, nur einen Mantel und eine Taschenlampe... Er starrte auf den mit Flechten bewachsenen Baumstamm, auf dem sie gesessen hatte. Auf dem trockenen Sandboden und in den von vier scharrenden Füßen aufgehäuften Kiefernnadeln waren noch die Kratzspuren von vier Schuhen sichtbar.
    Wenn Twohey ihr Begleiter gewesen war - mit dem sie vielleicht Sean gesehen hatte, der den Zweck ihrer Zusammenkunft mißverstanden hatte -, woher war Twohey dann gekommen? Aus Pomfret, über den mit Tannen bewaldeten Hügel? Oder hatte er

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