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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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sich im Schatten der Bäume, da er aus einem unerfindlichen Traumgrund nicht bemerkt werden wollte. Unten am Fluß war es behaglich und warm, ein Sommerabend, dem, wie ihm schien, ein langer heißer Tag vorausgegangen war.
    Gleich darauf hörte er jemanden rufen und sah ein Mädchen, das über den Böschungsrand gelaufen kam. An ihrem hellen, fast gelben Haar und der Form ihres Gesichts konnte er erkennen, daß es sich um die Schwester des jungen handelte, die älter war als er, vielleicht vierzehn oder fünfzehn. Sie war gekommen, um ihn zu holen, und er hörte, wie heftiger Streit zwischen ihnen ausbrach, weil der junge hierbleiben und weiterfischen wollte.
    Ihm war klar, daß er ihnen über die Wiesen nachgehen mußte. Sie liefen vor ihm her, das Mädchen mit wehendem Haar. Über ihm donnerte ein Flugzeug vorbei, und er sah Bomben wie schwere schwarze Federn zur Erde fallen.
    Ein Teil des Hauses blieb stehen, kahle, fensterlose Mauern umgaben einen rauchenden Trümmerhaufen, aus dem die Schreie der lebendig Begrabenen drangen. Die Kinder standen weder unter Schock, noch waren sie verängstigt, denn dies war ein Alptraum, in dem natürliche Gefühle außer Kraft sind. Als gleichgültiger Beobachter sah er zu, wie das Mädchen sich tastend einen Weg in das schwarze Inferno bahnte, der junge dicht hinter ihr. Nun konnte er einen langen bleichen Arm aus dem Schutt ragen sehen und eine Stimme hören, die um Hilfe, um Gnade winselte. Die Kinder fingen an, mit bloßen Händen zu graben, und er ging näher, um ihnen zu helfen. Dann bemerkte er, daß sie die schreienden Gesichter nicht freilegten, sondern noch tiefer eingruben und dämonisch lachend wie besessen daran arbeiteten, das Vernichtungswerk der Bombe zu Ende zu führen; gerade als er ihnen zurief, sofort damit aufzuhören, schreckte er aus dem Traum auf.
    Nun wieder bei vollem Bewußtsein, merkte er, daß er sich aufgerichtet und seine Schreie die Form von ersticktem Schnarchen angenommen hatten. Seine Frau, die neben ihm lag, hatte sich nicht gerührt. Er rieb sich die Augen und warf einen Blick auf die Leuchtzeiger seiner Armbanduhr. Es war fünf nach zwei.
    Wenn er um diese Zeit einmal wach wurde, wußte er, daß er nie wieder einschlafen würde, und für gewöhnlich ging er dann nach unten, setzte sich in einen Sessel und suchte sich etwas zu lesen. Der Traum blieb ihm quälend deutlich im Gedächtnis, während er seinen Morgenmantel anzog und sich zur Treppe wandte. Am Morgen würde er entsprechende Nachforschungen veranlassen, um genau zu erfahren, was an dem Tag geschehen war, als die Bombe das Elternhaus der Villiers’ zerstört hatte. Jetzt aber erst mal was zu lesen...
    In seiner Jugend, als er mehr Freizeit und weniger Verpflichtungen gehabt hatte, war er ein Bücherwurm gewesen, und zu seiner Lieblingslektüre hatten sekundärliterarische Werke und Biographien über Schriftsteller gezählt. Mrs. Wexford konnte dies nicht verstehen, und nun erinnerte er sich, daß sie ihn einmal gefragt hatte, weshalb er lesen wolle, was jemand anderes über ein Buch sagte. Weshalb nicht einfach das Buch selber lesen? Und er hatte nicht recht gewußt, was er ihr darauf zur Antwort geben, wie er es ausdrücken sollte, daß er auf diesem Gebiet dem eigenen Urteil nicht trauen konnte, weil er bloß ein Polizist war und nicht studiert hatte. Er hätte ihr auch schlecht erklären können, daß er nach Belehrung und Wissen strebe, weil es Ziel der Bildung sei, den Blick der Seele auf das Licht zu richten.
    Während er daran dachte und an das Vergnügen, das ihm derlei Werke bereitet hatten, richtete er den Blick seiner Augen auf das Buch Der verliebte Wordsworth, das er auf dem Couchtisch hatte liegenlassen. Nach nur vier Stunden Schlaf war er nicht mehr müde und wesentlich aufmerksamer als bei seinem früheren Versuch, sich diesem Buch zu widmen. Er konnte es sich ruhig noch einmal vornehmen. Bloß schade, daß es über Wordsworth war. Ziemlich langweiliger Dichter, ging ihm durch den Kopf. Dauernd diese Zwiegespräche mit der Natur und die Spaziergänge im Lake District. Wirklich ein wenig öde. Wenn das Buch doch nur von Lord Byron gehandelt hätte, das wäre etwas anderes gewesen, da hätte man sich mit Lust drüber hergemacht. Bitte schön, das war eine interessante Persönlichkeit, ein romantischer Mann, ein Bilderbuchheld einschließlich spannungsgeladenem Liebesleben, einer katastrophalen Ehe und dem Skandal wegen Augusta Leigh. Doch es war halt ein Buch über

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