Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
Schreckliches geschehen?«
Burden erzählte es ihr.
»Man kann von meinem Fenster aus das Feld überblikken, aber ich bin nie da.«
»Dann werde ich Ihre Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen.«
»Ich hoffe, Sie finden ihn«, sagte sie.
Die Tür des viktorianischen Hauses wurde geöffnet, bevor er ganz da war. Sobald er das Gesicht der Frau sah, die ihn dort erwartete, wußte er, daß sie ihm etwas zu erzählen hatte. Sie war ältlich, scharfäugig und lebhaft.
»Es war doch nicht dieser Mann, oder? Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn er es war, und ich...«
»Vielleicht könnte ich einen Moment reinkommen? Und dürfte ich um Ihren Namen bitten?«
»Mrs. Mitchell.« Sie führte ihn in einen ordentlichen, frisch tapezierten Raum. »Ich hätte schon längst zur Polizei gehen sollen, aber Sie wissen ja, wie das ist. Er hat nie etwas getan, er hat nie auch nur mit den Kindern geredet. Ich habe es der jungen Mrs. Rushworth gegenüber erwähnt, weil ihr Andrew da spielt, aber sie ist immer so beschäftigt, den ganzen Tag bei der Arbeit, und ich nehme an, sie hat vergessen, es den anderen Müttern zu sagen. Und dann, als er nicht mehr kam und die Kinder wieder in die Schule gingen...«
»Fangen wir am besten von vorn an, ja, Mrs. Mitchell? Sie haben also einen Mann am Spielplatz herumlungern sehen. Wann haben Sie ihn zum erstenmal beobachtet?«
Mrs. Mitchell setzte sich und holte tief Luft. »Es war im August, während der Ferien. Ich putze jeden Mittwochnachmittag meine Fenster im Obergeschoß, und eines Mittwochs, als ich das Fenster oben im Treppenhaus putzte, sah ich diesen Mann.«
»Wo haben Sie ihn gesehen?«
»Drüben an der Straße nach Forby, Mill Lane, unter den Bäumen. Er stand da und schaute zu den Kindern herüber. Warten Sie mal, da war Julian Crantock und Gary Dean und der arme kleine John Lawrence und Andrew Rushworth und die McDowell-Zwillinge, und alle spielten auf den Schaukeln, und dieser Mann sah ihnen zu. Oh, ich hätte zur Polizei gehen sollen!«
»Sie haben ja mit einer der Mütter gesprochen, Mrs. Mitchell. Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen. Ich nehme an, Sie haben den Mann noch mal gesehen?«
»O ja, am nächsten Mittwoch, und ich habe extra am darauffolgenden Tag, am Donnerstag, geschaut, und er war wieder da, und daraufhin habe ich mit Mrs. Rushworth gesprochen.«
»Dann haben Sie ihn also im August während der großen Ferien öfter beobachtet?«
»Danach hatten wir eine Schlechtwetterperiode, und die Kinder konnten nicht auf den Spielplatz, und dann waren die Ferien zu Ende. Danach vergaß ich den Mann. Bis gestern.«
»Sie haben ihn gestern gesehen?«
Mrs. Mitchell nickte. »Es war Mittwoch, und ich hatte mir das Flurfenster oben vorgenommen. Ich sah die Kinder auf den Spielplatz kommen, und dann erschien dieser Mann. Es war ein richtiger Schock, ihn nach zwei Monaten wieder zu sehen. Ich werde an diesem Fenster hier stehenbleiben und sehen, was du vorhast, dachte ich bei mir. Aber er hat nichts gemacht. Er ging um den Spielplatz herum, und er hob Blätter auf, Äste mit Herbstlaub, wissen Sie, und dann stand er eine Weile still und beobachtete die Jungen. Er war vielleicht eine halbe Stunde lang da, und als ich gerade dachte, ich muß mir einen Stuhl holen, weil meine Beine bald nicht mehr mitmachen, verschwand er über die Böschung.«
»Hatte er ein Auto?« fragte Burden rasch. »Auf der Straße vielleicht?«
»Das konnte ich nicht sehen. Ich glaube, ich habe einen Wagen anfahren hören, aber es muß ja nicht seiner gewesen sein, nicht wahr?«
»Haben Sie ihn heute gesehen, Mrs. Mitchell?«
“Ich hätte rausschauen sollen. Aber ich hatte es Mrs. Rushworth erzählt, und es war ihre Verantwortung. Außerdem habe ich diesen Mann nie irgendwas machen sehen.« Sie seufzte.”Ich bin heute um zwei weggegangen«, fuhr sie dann fort. “Ich habe meine verheiratete Tochter in Kingsmarkham besucht.«
»Beschreiben Sie mir den Mann, Mrs. Mitchell.«
»Das kann ich«, meinte sie befriedigt. »Er war jung, selbst kaum mehr als ein Junge. Sehr schlank, wissen Sie, und ziemlich schmal. Nicht so groß wie Sie, nicht mal annähernd. Ungefähr einsfünfundsechzig. Er hatte immer die gleichen Sachen an, so einen - wie heißen sie noch? - Dufflecoat, schwarz oder dunkelgrau, und dazu diese Jeans, die sie alle tragen. Dunkles Haar, nicht sehr lang für heutige Verhältnisse, aber wesentlich länger als Ihres. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, nicht auf die Entfernung,
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