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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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eine Reihe matter Ketten. Er brauchte sie ja nicht zu bewundern, aber er hätte gern Mitleid mit ihr gehabt. Diese Frau in ihrer wilden Haartracht und dem fremdartigen Aufzug erweckte in ihm jedoch sofort den Eindruck, daß sie ungeeignet sei, ein Kind zu beaufsichtigen, und sogar den Gedanken, daß ihre Erscheinung und alles, was er damit in Verbindung brachte, womöglich zum Verschwinden des Kindes beigetragen hatte. Doch er durfte keine voreiligen Schlüsse ziehen.
    »Also, wie heißt der Junge, und wie alt ist er?«
    »John. Er ist fünf.«
    »Hatte er keine Schule heute?«
    »Die Grundschulen haben frei«, sagte sie. »Soll ich Ihnen erzählen, wie der Nachmittag heute abgelaufen ist, ja?«
    »Bitte.«
    »Also, wir haben zu Mittag gegessen, John und ich, und danach, so um zwei, kam ein Freund von nebenan, um ihn zum Spielen abzuholen. Er heißt Gary Dean und ist auch fünf.« Sie war sehr gefaßt, aber jetzt schluckte sie und räusperte sich. »Sie wollten draußen auf der Straße mit ihren Dreirädern spielen. Es ist ziemlich ungefährlich. Sie wissen, daß sie auf dem Gehweg bleiben müssen.
    Wenn John draußen spielt, dann gehe ich ungefähr alle halbe Stunde ans Fenster, um zu sehen, ob er okay ist, und das habe ich heute auch getan. Von meinem Flurfenster aus kann man die ganze Straße und den Spielplatz überblicken, wo die Schaukeln sind. Eine Weile haben sie mit den anderen Jungen, alle hier aus der Nachbarschaft, auf dem Gehweg gespielt, aber als ich um halb vier wieder rausschaute, waren sie ins Feld zu den Schaukeln gegangen.«
    »Und auf die Entfernung konnten Sie Ihren Sohn erkennen?«
    »Er hat einen dunkelblauen Pullover an und dazu das helle Haar.«
    “Erzählen Sie weiter, Mrs. Lawrence.«
    Sie holte tief Luft und umklammerte mit den Fingern ihrer einen Hand die andere.
    »Die Dreiräder hatten sie in einem wilden Haufen auf dem Gehweg liegenlassen. Als ich das nächste Mal rausschaute, waren sie alle bei den Schaukeln, und ich konnte John durch seinen Pullover und das helle Haar ausmachen. Oder - oder zumindest dachte ich es. Es waren sechs Jungen, wissen Sie. Jedenfalls, als ich wieder nachsah, waren sie alle weg, und ich bin runter, um John die Tür aufzumachen. Ich dachte, er kommt zum Tee.«
    »Aber er kam nicht.«
    »Nein. Sein Dreirad lag ganz allein auf dem Weg.« Sie biß sich auf die Lippe, ihr Gesicht war jetzt sehr weiß. »Auf der Straße waren überhaupt keine Kinder. Ich dachte, John müsse wohl irgendwohin mitgegangen sein - das macht er manchmal, obwohl er es nicht soll, ohne mir vorher Bescheid zu sagen. Ich wartete also - höchstens fünf Minuten, nicht länger -, dann ging ich zu den Deans, um zu sehen, ob er dort war. Das war ein ganz schöner Schock«, sagte sie halb im Flüsterton. “Da bekam ich zum ersten Mal Angst. Gary saß beim Tee, und bei ihm ein blonder Junge mit einem blauen Pullover, aber es war nicht John. Es war sein Vetter, der heute nachmittag bei ihm zu Besuch war. Da wurde mir klar, daß der Junge, den ich seit halb vier für John gehalten hatte, dieser Vetter gewesen war, verstehen Sie?«
    »Was haben Sie dann getan?«
    “Ich habe Gary nach John gefragt, und er sagte, er wisse es nicht. Er sei vor ein paar Stunden gegangen, meinte er - so hat er es ausgedrückt, vor Stunden - und sie hätten alle gedacht, er sei bei mir. Ja, dann ging ich zu einem anderen Jungen in Nummer 59, er heißt Julian Crantock, und Mrs. Crantock und ich haben es dann aus Julian herausbekommen. Er sagte, Gary und sein Vetter hätten angefangen, John zu hänseln, nur so dummes Kindergerede, aber Sie wissen ja, wie sie sind, wie sie sich gegenseitig piesacken. Sie ärgerten John wegen seines Pullovers, sagten, es sei ein Mädchenpullover, wegen der Art, wie die Knöpfe am Kragen zugehen, und John - na ja, Julian sagte, er hätte eine Weile ganz allein auf dem Karussell gesessen, und dann sei er einfach Richtung Straße weggegangen.«
    »Diese Straße hier? Fontaine Road?«
    »Nein. Die zwischen dem Spielplatz und den Feldern. Sie führt von Stowerton nach Forby.«
    »Ich kenne sie«, sagte Burden. »Mill Lane. Man kann sie von den Feldern aus durch einen Einschnitt erreichen, man muß eine baumbestandene Böschung runter.«
    Sie nickte. »Aber warum sollte er dahin gehen? Warum? Ich habe ihm wieder und wieder gesagt, daß er nicht weiter gehen darf als bis zum Spielplatz.«
    »Kleine Jungen tun nicht immer, was man ihnen sagt, Mrs. Lawrence. Haben Sie uns danach

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