Der Liebe eine Stimme geben

von Jills Couchtisch und blättert es durch, in der Hoffnung, sich abzulenken, während Jill sich beklagt, wie spät es wird. Beth gibt ihr recht. Sie brauchen zu lange, um anzufangen. Sie fühlt sich, als würde sie bei ihrem Zahnarzt im Wartezimmer sitzen, wo sie weiß, dass sie sich die Zähne reinigen lassen muss und dass sie toll aussehen und sich toll anfühlen werden, wenn sie fertig ist, aber während sie wartet, haben ihre Angst und ihre Erinnerung zu viel Zeit, um zusammenzuspielen. Sie wird anfangen, sich auf das gefürchtete Geräusch der Metallinstrumente zu fixieren, die an ihren Zähnen kratzen, das wunde Pochen in ihrem Zahnfleisch, die Scham, die sie empfindet, wenn die Zahnärztin sie dafür tadelt, dass sie nicht genug mit Zahnseide reinigt, den Geschmack von Latex und Blut in ihrem Mund. Wenn sie länger als zehn Minuten warten muss, bis die Zahnärztin ihren Namen aufruft, kann sie sich nur mit Mühe beherrschen, nicht zu gehen und frühestens in einem halben Jahr wiederzukommen.
    Auch die Zahnärztin wird wissen, dass Jimmy sie betrügt.
    Beth versucht, Jimmy, ihre Zahnärztin und das Gespräch, das sie heute mit Petra geführt hat, zu vergessen und sich auf Jill zu konzentrieren. Sie erzählt ihnen eine Geschichte von Mickeys neuestem Umsetzungsprojekt. Jills Mann, Mickey, hat eine eigene Baufirma. Bei den unglaublichsten Aufträgen, die er an Land zieht, geht es nicht um neue Bauvorhaben oder raffinierte Erweiterungen, sondern um die Versetzung bestehender Häuser um ein paar entscheidende Meter. Die historischen Cottages und Villen an den Klippen in ’Sconset laufen alle Gefahr, mit dem erodierenden Abgrund hinunterzustürzen, als würde jedes Haus auf einem Stück Kuchen sitzen und Mutter Natur jedes Jahr einen neuen Bissen mit ihrer Gabel herausstechen. Mickeys Team kann ein ganzes Haus wie durch ein Wunder nach hinten versetzen, fünfzig Meter, hundert Meter, aber irgendwann wird dem Eigentümer der Platz ausgehen. Die Haustür wird an der Straße liegen. Es wird nur noch Kruste übrig sein, und Mutter Natur wird immer noch hungrig sein.
    Mickey versetzt jetzt ein Sieben-Zimmer-Ungetüm in der Baxter Road, aber hier liegt der Fall etwas anders. Die Eigentümer haben kürzlich das Haus genau gegenüber, auf der anderen Straßenseite, gekauft. Mickeys Team hat es abgetragen, und jetzt verlegen sie das Klippenhaus auf die andere Seite der Baxter Road, auf ein ganz neues Kuchenstück. Aber immer noch auf Nantucket.
    »Verrückt, was? Mickey sagt, wenn er lange genug lebt, wird er dieses Haus früher oder später wieder versetzen«, sagt Jill.
    »Deswegen lebe ich mitten auf der Insel«, sagt Petra, die mitten auf der Insel lebt, weil sie dort aufgewachsen ist und weil sie es sich nicht leisten kann, näher am Meer zu leben.
    Es ist eine gute Story, aber Beth ist jetzt dabei, in Gedanken die Glaubwürdigkeit verschiedener Ausstiegsstrategien durchzugehen, und hält es kaum noch aus auf der Couch. Ich habe mein Buch vergessen. Gracie geht es nicht gut. Mir geht es nicht gut .
    Petra, die neben Beth sitzt und ihre bevorstehende Flucht spürt, streckt eine Hand aus und steckt Beths Hand unauffällig zwischen sie beide. Sie drückt sie fest, aber nicht zu hart, bietet ihr sowohl Trost als auch einen Anker. Ich liebe dich, und du wirst nirgends hingehen .
    Sie hören ein kurzes Klopfen an der Tür, und dann treten Courtney und Georgia gleichzeitig ein, eine Studie in Gegensätzen. Courtneys rundes, ungeschminktes Gesicht ist gerötet, ihr Haar locker zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, ihr Haaransatz nass von Schweiß. Sie trägt ein lavendelfarbenes Tanktop unter einer offenen Secondhand-Winterjacke, eine schwarze Baumwoll-Yogahose und Flipflops. Sie hat ihr Buch in der Hand. Mit einem strahlenden Lächeln nimmt sie auf der Couch Platz, auf der anderen Seite von Beth, während ihre Energie mit ihr zusammen in den Raum schwebt und sanft landet, wie eine luftige weiße Pusteblume, die von einer sanften Brise hereingeweht wird. Sie riecht nach Patschuli.
    Georgia hingegen ist gestresst und abgehetzt, mit einem starken Abendlidschatten, Lippenstift und auffälligen baumelnden Goldohrringen, in geschäftsmäßigen schwarzen Stöckelschuhen. Sie kämpft mit dem Gewicht der vollgestopften Leder-Laptoptasche an ihrer Schulter, während sie die letzte Bridezilla verflucht, die sie eine Dreiviertelstunde am Telefon aufgehalten hat mit ihrer Auswahl eines Gangläufers für den Weg zum Altar. Sie schält