Der Liebe Gott Macht Blau
dunklen, waldigen Silhouetten der Berge zeichneten sich vor dem mondhellen Himmel ab. Die Stimmung war gespenstisch, die weiße Karosserie des Autos blinkte im Sternenlicht, während sich der Wolga seinen Weg immer höher hinauf in die Berge bahnte.
Der heilige Petrus war auf der Rückbank neben Pirjeri eingeschlafen. Pirjeri Ryynänen verspürte eine eigenartige Andacht. Er war jetzt auf dem Weg zu Gott, im Licht von Mond und Sternen, hinauf zu den Höhen des Gebirges, buchstäblich bis in den Himmel. Das Gefühl war beängstigend und aufregend zugleich. Pirjeri versuchte sich vorzustellen, wie Gott aussah, wie sein Wesen war, wie man sich ihm gegenüber verhalten musste. Am liebsten hätte er zu Gott gebetet, dass er diese atemberaubendeSpannung mildern möge, aber er begriff, dass jetzt nicht mehr die Zeit der Gebete war. Er war ein Sterblicher, aber nicht länger im herkömmlichen Sinne, bald würde er selbst zum Gott, und die Götter beteten sich ganz sicher nicht gegenseitig an.
Sie passierten das kleine, im Mondlicht schlafende Dorf Hjornakurdzali, und dann, nach einer halben Stunde schweigender Fahrt, kamen sie am Ziel an, in dem alten finsteren Nonnenkloster, im Himmel, beim lieben Gott.
7
Da war er, der Himmel. Die uralte Schlossruine stand am Hang eines steilen Berges, der Mond beleuchtete ihre massiven Steinwände, Fledermäuse flatterten durch die glaslosen Fenster ein und aus, hin und wieder schrien Raben, während sie mit klatschenden Flügeln durch den Spalt zwischen dem Schloss und der schwarzen Bergwand flogen. Um diese Nachtstunde wirkte der Himmel eher wie die Höhle des Satans. Entsetzen packte Pirjeri, und er erschauerte. Hatte man ihn, den gutgläubigen Menschen, getäuscht, ihn womöglich mithilfe heimtückischer magischer Kräfte an diesen gottverlassenen Ort, in irgendeine Falle, gelockt?
»Sie brauchen keine Angst zu haben, dies ist wirklich der Himmel, auch wenn es nicht so aussieht«, beruhigte Petrus ihn. Und er erzählte, dass er seit Langem dieses düstere Schloss und die ganze Gegend leid sei, aber Gott gefiel es aus irgendeinem Grunde, seinen Himmel hier zu halten, und dem musste sich ein Apostel fügen.
»Ich hätte einen Wunsch, Herr Ryynänen«, sagte Petrus. »Wenn Sie nun zum Gott gemacht werden, könnten Sie dann nicht versuchen, den Himmel aus diesem öden Gebirge und dem stinkenden Schloss an einen sonnigeren und angenehmeren Ort zu verlegen?«
Pirjeri versprach, dass zu seinen ersten Taten als Gott die Verlegung des Himmels gehören würde.
Erzengel Gabriel und ein paar andere Würdenträger empfingen die Ankömmlinge auf dem Schlosshof. Petrus bezahlte das Taxi, Pirjeris Koffer wurde den Engeln übergeben. Gabriel und Petrus führten Pirjeri ins Schloss, sie betraten den Treppenaufgang und stiegen zum höchsten Turm hinauf. Pirjeri, daran gewöhnt, die Sprossen zu seinem Kran zu erklimmen, nahm rasch Stufe um Stufe, ohne außer Atem zu geraten. Bald befanden sie sich in der obersten Etage. Der Erzengel Gabriel klopfte an eine breite Eichentür. Von drinnen ertönte Gottes klangvolle Stimme:
»Tretet ein ins Zimmer des Herrn.«
Das Turmzimmer war vom Mond erhellt. Es war klein, achteckig, an jeder Seite gab es Fenster, und durch sie eröffnete sich ein atemberaubender Blick auf das Gebirge und den Himmel, an dem der Mond und die Sterne durch ein Wolkenmeer segelten. Mitten im Raum stand ein kleiner Tisch, umringt von Hockern. Etwas abseits am Fenster prangte ein großer lederner Lehnsessel, dort saß Gott. Als die Besucher eintraten, erhob er sich, zog die Bügelfalten seines Wollstoffanzuges gerade und kam näher.
»Du bist also der berühmte Birger Ryynänen aus Finnland«, sprach Gott sanft interessiert.
Gottes Anblick erfüllte Pirjeris Herz mit einer solchen Hingabe und Demut, dass er auf die Knie niederfiel, seine Stirn auf die kühlen Eichenbretter des Fußbodens presste und in purer Andacht die Augen schloss.
»Aber, Ryynänen, steh doch auf, hier im Himmel ist es nicht üblich, sich derart zu verneigen, und wir beide brauchen sowieso nicht voreinander zu dienern.«
Das waren Gottes Worte, sanfte und beruhigende Konversation. Pirjeri stand auf im Gefühl von Vertrauen und Liebe für den Allmächtigen, den Herrn der Schöpfung. Gott reichte ihm die Hand. Sein Händedruck war warm und väterlich, wie nicht anders zu erwarten war.
»Pirjeri Ryynänen«, stellte sich Pirjeri vor.
Gott bat seinen finnischen Gast, sich zu setzen. Der Erzengel Gabriel
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