Der Liebe Gott Macht Blau
brachte ihm einen Hocker. Gott selbst setzte sich in seinen Sessel, die anderen schoben sich ebenfalls Hocker unter den Hintern.
Der heilige Petrus berichtete von der Anreise. Alles war gut gegangen, das Flugwetter war wunderbar gewesen, auch die Taxifahrt war in der erwarteten Weise verlaufen, außer dass der Fahrer in eine Schafherde und in den Straßengraben gefahren war und daraufhin mächtig geflucht hatte.
»Tja, so sind sie, die Taxifahrer«, sinnierte Gott. »Hier im Himmel sieht man sie auch nicht gerade oft. Aber nun etwas anderes, du dürftest Hunger haben, Pirjeri. Immerhin bist du seit dem Morgen unterwegs.«
Pirjeri gab zu, dass ihm schon ein wenig flau sei. Zuletzt hatte er am Nachmittag in Sofia gegessen.
Der Erzengel Gabriel erwähnte, dass am nächsten Vormittag auf der Festetage des Schlosses ein leckeres Mahl serviert werden würde, das wäre dann für Ryynänen auch das letzte, das er als Mensch genießen würde. Götter und Engel benötigten kein Essen, sondern lebten mehr von der Kraft des Geistes.
»In Ihrer Schlafkammer stehen für Sie eine Flasche des heimischen Rotweins und Stör aus dem Schwarzen Meer als kleines Nachtmahl bereit, am Morgen wecken wir Sie dann zu Ihrer letzten Mahlzeit«, berichtete Gabriel.
Sie saßen noch eine Weile in dem vom Mond erleuchteten Turmzimmer beisammen. Gott plauderte über dies und das, fragte Pirjeri, wie es in Finnland so lief, ob das Wetter im Sommer günstig gewesen war, wie die Ernte ausgefallen war, wie es Pirjeris Angehörigen und Freunden ging.
»Ich müsste all diese Dinge natürlich selbst wissen, aber ich bin bereits so verdrossen und müde, dass mir einfach die Energie fehlt, das Geschehen in allen Ländern der Welt zu verfolgen«, klagte Gott. »In Finnland lebt man wohl in einer Art Demokratie, wenn ich mich recht erinnere? Wer ist denn momentan bei euch Präsident?«
Pirjeri beschrieb mit wenigen Worten die finnische Demokratie und erzählte, wer der Staatspräsident sei – ein populärer Mann aus dem Volke, er habe eine schöne Frau mit sanfter Stimme, eine hübsche Tochter und einen lebhaften und vorurteilsfreien Schwiegersohn.
»Den Mann kenne ich nicht«, sagte Gott über Mauno Koivisto.
Pirjeri nahm all seinen Mut zusammen und fragte ihn, ob ihm der frühere Staatspräsident Urho Kekkonen ein Begriff sei. Gott wurde munter und bestätigte, dass er den Kekkonen natürlich kenne, in jeder Hinsicht ein tüchtiger Kerl, allerdings recht faul, was das Beten angehe. Kekkonen war vor zwei, drei Jahren im Himmel aufgetaucht, mit vor Eifer glänzender Glatze, und er hatte sich sogar eine gewisse Position unter den Engeln erobern können. Pirjeri bekannte, dass er es interessant fände, Kekkonen hier im Himmel zu treffen, sofern das denn möglich sei. Er habe seinerzeit zwei Mal in den Präsidentenwahlen für ihn gestimmt.
Der heilige Petrus und der Erzengel Gabriel flüsterten eine Weile miteinander, und dann erklärte Petrus:
»Über Kekkonen haben wir die Information, dass er momentan nicht anzutreffen ist. Er hat sich im Frühjahr zu einem Besuch in die Hölle begeben und wird wahrscheinlich mindestens bis Weihnachten dortbleiben.«
»Was macht Kekkonen denn in der Hölle?«, fragte nun auch Gott interessiert.
»Er hat mitgeteilt, dass er seine alten Freundinnen besuchen will, mehr wissen wir nicht«, sagte Gabriel.
Damit war das Thema Kekkonen erledigt.
Pirjeri brachte noch eine Sache zur Sprache, die ihn während der ganzen Reise beschäftigt hatte. Er war zwar ein frommer Mann, das bestätigten auch der Erzengel Gabriel und der heilige Petrus, aber so ganz astrein war seine Frömmigkeit nicht. Er war nicht so gut mit der Bibel vertraut, wie es vielleicht erforderlich wäre. Musste er sie jetzt womöglich auswendig lernen, von vorn bis hinten? Natürlich war ihm im Großen und Ganzen der Inhalt des Neuen Testaments bekannt, und er hatte aus Sonntagsschulzeiten auch einige Erinnerungen ans Alte Testament. Mit Religionsgeschichte hatte er sich außerdem in geringem Maße auch an der Universität beschäftigt.
Die Sorge des Menschenkindes amüsierte Gott. Er bekannte, dass auch er selbst schon lange nicht mehr die Bibel aufgeschlagen hatte, zuletzt hatte er wohl vor hundert oder zweihundert Jahren darin gelesen. Ein interessantes Buch, tatsächlich aber ein rechtes Geschreibsel, das hier im Himmel niemand recht ernst nehmen mochte. Es war eine von den Menschen fabrizierte phantastische Legende, literarisch letztlich
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