Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
Illustrierten zielsicher »mörderische Schatten über dem Karneval« und gingen ungeniert auf Leserfang. »Mörder jagen Liebespaare«, »Der Unheimliche von Düsseldorf« oder »Das Untier und die Liebespaare« – selbstverständlich und ausnahmslos »exklusive« und reichlich bebilderte Fortsetzungsklamotten hatten Hochkonjunktur.
Wer sich besonders in Acht zu nehmen hatte, lag auf der Hand: »In Gefahr sind blonde, sympathische junge Menschen, gefährdet sind schlanke, große Männer und lustige, lächelnde Frauen.« Die Begründung: »Alle vier Opfer verkörpern einen ganz bestimmten Typ. Alle vier haben das gleiche sorglose, jetzt gespenstisch wirkende Lächeln auf den Fahndungsplakaten …« Dass der Mörder seine Opfer in der Dunkelheit höchstwahrscheinlich gar nicht genau hatte erkennen können und seine Entscheidung, die Paare zu attackieren, von ganz anderen Kriterien geprägt gewesen sein dürfte, wurde geflissentlich übersehen. Was nicht ins mediale Bild passte, wurde passend gemacht.
Während das Opferprofil scharf gestellt werden konnte, blieb »das unmenschliche Scheusal« mysteriös, sphinxhaft: »Die Menschen sehen ihm ins Gesicht, aber sie wissen nicht, daß er ein Monster ist. Er sieht aus wie jeder andere. Er ist vielleicht groß, vielleicht klein, vielleicht jung, vielleicht alt. Wie er genau aussieht, weiß niemand.« Dafür wusste man aber, was er tat: »Der Mörder geht durch Düsseldorf, gemächlich, gelangweilt, gleichgültig. Er geht an den Passanten vorbei, er sitzt in der Straßenbahn, er steht an der Kinokasse …«
Weil einige Journalisten einfach die vermeintlich besseren Kriminalisten waren, wurde dramaturgisch passend schließlich das »eigentliche Mordmotiv« präsentiert: »Das Morden allein befriedigt ihn nicht. In seiner scheußlichen, unfaßbaren, unbegreiflichen Abartigkeit macht er nicht einmal vor den Toten halt.« Damit sich die Leserschaft auch richtig gruseln konnte, wurden kurzerhand noch postmortale Misshandlungen dazugedichtet: »Er verletzt sie hinter den Ohren. Alle Leichen weisen an dieser Stelle seltsame Verwundungen auf, die sich nicht ohne Weiteres aufklären ließen.«
Und die Prognosen waren durchweg düster. »Solange er nicht gefaßt ist, wird jeder Autofahrer, der nachts mit seiner Begleiterin unterwegs ist, von dem unheimlichen Totschläger bedroht!«, stand in fetten Lettern zu lesen. Oder: »Tag und Nacht stehen die Wagen der Düsseldorfer Mordkommission alarmbereit. Jede einlaufende Meldung löst eine neue Großfahndung aus. Was früher ein Autodiebstahl war, kann heute ein Anzeichen dafür sein, daß der Mörder neue Opfer gefunden hat.« Und vor alledem: »Der Mann im Dunkeln, der furchtbarste, der gemeinste, der entsetzlichste Mörder unserer Zeit, wird weiter morden, wenn man ihn nicht faßt …«
Die offenkundige Erfolglosigkeit der Kripo und vermeintliche Parallelen zu einem viele Jahre zurückliegenden »Jahrhundert-Fall« riefen nicht nur bei älteren Bewohnern Düsseldorfs überwunden geglaubte Urängste wach. Was viele besorgte Bürger dachten und befürchteten, war in einem Artikel der Neue Ruhr Zeitung nachzulesen:
»Erinnerung an Kürten
Wird Düsseldorf von einer neuen Mordserie heimgesucht? – Diese Frage muß sich förmlich aufdrängen, seitdem feststeht, daß innerhalb von vier Monaten vier junge Menschen auf bestialische Weise das Opfer eines noch unbekannten Verbrechers geworden sind. Und die Parallele zu dem Fall Peter Kürten, dessen Taten von Februar 1929 bis zu seiner Festnahme am 24. Mai 1930 Düsseldorf und darüber hinaus ganz Deutschland in eine Psychose der Angst versetzten, wird allzu offenbar.
Peter Kürten, der in dem nachfolgenden Prozeß vom Staatsanwalt ›König der Sexualverbrecher‹ genannt wurde, wurde am 22. April 1931 wegen neunfachen Mordes in Tateinheit begangen mit drei Sittlichkeitsverbrechen neunmal zum Tode und wegen siebenfachen Mordversuchs zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 2. Juli 1931 starb er im Hofe des Kölner Gefängnisses ›Klingelpütz‹ unter dem Fallbeil des Henkers.
Seine Untaten, denen eines Großmanns, Haarmanns und Denkes – den berüchtigten Massenmördern der zwanziger Jahre – vergleichbar, entsprangen einer verirrten Sexualität. Sie galten kleinen Mädchen, Frauen und nur in vereinzelten Fällen Männern. Die letzten Morde, die Düsseldorf erst jetzt nach dem zweiten Doppelmord innerhalb von vier Monaten erschüttern, wurden an Liebespaaren ausgeführt. Es
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