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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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Reichenstein stets »judosportliche Übungen« genannt. Das sei ihr »nicht geheuer gewesen«. Und als er das letzte Mal aus der Haft entlassen worden war, habe er prophezeit: »Ich bin nicht zum letzten Mal im Gefängnis gewesen.«
    Dr. König stellte eine Zwischenfrage: »Aber Sie haben doch liebevolle Briefe an Ihren Mann ins Gefängnis geschickt! Wie erklären Sie das?«
    »Das war nur in der ersten Zeit, wo ich die ganzen Verbrechen noch nicht glauben konnte. Dann habe ich mir alles genau überlegt und die Scheidung eingereicht. Um die Kinder zu beschützen. Die müssen einen anderen Namen bekommen.«
    Als Erster der medizinischen Sachverständigen sagte der Düsseldorfer Obermedizinalrat Dr. Werner Fuhrmann aus. Der Experte für die Abgründe der menschlichen Seele charakterisierte zunächst Fritz Büning. Der Angeklagte sei »ein Naturmensch, mißtrauisch, aber hilfsbereit, einfach, labil, etwas primitiv, aber keineswegs schwachsinnig«. Seine Intelligenz sei durchschnittlich, allerdings »von einer gewissen Schläue«. Zu Reichenstein habe er nicht in dem behaupteten »Hörigkeitsverhältnis« gestanden, jedoch sei er »der Willensschwächere von beiden« gewesen, »der sehr bald zum Spielball des anderen würde«.
    Dann machte der Gutachter eine Aussage, die prozessentscheidenden Charakter haben konnte. Es ging um die Glaubwürdigkeit Bünings. Dr. Fuhrmann erklärte: »Wer innerlich so wenig gefestigt ist, wie dieser etwas primitive Mensch, der kann auf die Dauer solche neuen Lügen nicht durchstehen. Im Kerngeschehen müssen deshalb Bünings Erzählungen vor Gericht als glaubhaft gelten.«
    Der Angeklagte Reichenstein hingegen sei anders zu beurteilen. Er sei körperlich gesund – auch dreieinhalb Jahre Untersuchungshaft hätten ihn »nicht zusammenbrechen lassen«, er verfüge über eine »ungeheure Durchhaltekraft«. Sein Intellekt sei »gemäß dem Milieu und Bildungsgang über dem Durchschnitt«. Schließlich beleuchtete der Sachverständige Persönlichkeit und Charakter des Angeklagten. Sein Urteil fiel vernichtend aus: »Ein harter, eiskalter Verstandes- und Willensmensch, ohne Rücksicht und von ausgesprochen gesellschaftsfeindlicher Einstellung. Die Tränen, die er hier produziert hat, kommen nicht aus innerer Erregung, sind nicht die Flut überwältigender Gefühle, sondern ein schmales Rinnsal aus einer Gletscherspalte.«
    Die blumig-prosaischen Ausführungen Dr. Fuhrmanns wollte Reichenstein nicht unwidersprochen lassen. »Wie kommen Sie denn darauf, dass ich gesellschaftsfeindlich eingestellt sein soll!«, schleuderte er dem Gutachter wutentbrannt entgegen. »Ich kann mich nicht entsinnen, je in meinem Leben irgendeinem Kapitalisten negativ gegenübergetreten zu sein!«
    Dr. Fuhrmann antwortete: »Sie kennen doch die Aussage von Büning.«
    Reichenstein konterte: »Es hat sich also nur in der Theorie durch die Aussage Bünings ergeben, nicht in der Praxis.«
    »Die Diagnose der Menschenfeindlichkeit geht aus Ihrer gesamten Entwicklung hervor«, erwiderte Dr. Fuhrmann, »die nicht abgestoppt worden ist am Ende Ihrer Pubertät, sondern geblieben ist. Das dokumentiert sich am stärksten aus Ihren Diebstählen auf dem Friedhof!«
    »Für diese Tat habe ich mich geschämt und schäme mich noch, aber dazu bin ich verführt worden.«
    Die Sünden der Vergangenheit hatten Reichenstein wieder eingeholt. Störung der Totenruhe! Friedhofsdiebstahl! Menschenfeind! Menschenjäger! Liebespaar-Mörder! Doch diese Gleichung war zu simpel – und unbewiesen. Vorerst.
    Auch Professor Herbert Klimke bescheinigte Reichenstein einen »abartigen Charakter«. Der Psychiater und Neurologe hob hervor, dass Familie und Ehe nur ein »bürgerliches Aushängeschild« gewesen seien – die »Tarnung« eines »hinterhältigen und verstockten Menschen«. »Dass er hier schreibt und schreibt und schreibt«, erklärte der Sachverständige, »ist eine äußere Kompensation zu seiner inneren Unruhe, gewissermaßen das Leitseil, an dem er sich hält durch den Sturmwind dieses Prozesses.« Er »beherrsche jede Situation«, und er könne »umschalten, soviel er wolle«. Reichenstein sei »zuzutrauen, den Boss einer Bande zu spielen«. Und: »Er stellt sich außerhalb der allgemeinen Ordnung. Er ist ein Mann mit nihilistischen Tendenzen!«
    Zu Büning: Er sei »nicht der Engel«, der sich willenlos den Plänen Reichensteins unterworfen habe. »Bis zu einem gewissen Grade« sei Büning bestimmt worden, etwas zu tun, »aber er hätte

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