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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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»einmal zu Weihnachten und zu Ostern in Begleitung« seine Familie habe besuchen dürfen. »Er wollte unbedingt sein Kind sehen«, erklärte Kisters. Auch sei es ihm erlaubt worden, an der Beerdigung seiner Mutter und eines Onkels teilzunehmen: »Wir wollten vermeiden, dass Büning aus einer depressiven Stimmung heraus Selbstmord begeht.«
    Wie akut und ernst gemeint diese Suizidabsichten waren, blieb offen. Die Gutachten der Sachverständigen sollten erst zu einem späteren Zeitpunkt erstattet werden. Gleichwohl stimmten die meisten Prozessbeobachter mit der Vermutung der Verteidiger Reichensteins überein, es sei »im Polizeigewahrsam recht fidel zugegangen«.
    Um die Dinge ins rechte Licht zu rücken, wurde schon am nächsten Tag in den Düsseldorfer Nachrichten ein Interview mit dem stellvertretenden Kripo-Chef abgedruckt. Der Titel: »Die Behandlung von Untersuchungsgefangenen im Polizeigewahrsam – Erklärungen zum Fall Büning.« Kriminalrat Werner Grassner begründete die Verfahrensweise bei Büning so: »Ich bin vor Abschluß des Reichenstein-Prozesses durch ein rechtskräftiges Urteil natürlich nicht in der Lage, mich zur Beweisaufnahme zu äußern. Die Frage, auf die Sie abzielen, geht wohl dahin, ob es – und das können nur ganz besonders gelagerte Ausnahmefälle sein – der Kriminalpolizei gestattet ist, Beschuldigte, die sich im polizeilichen Gewahrsam befinden, entgegenkommender zu behandeln, als es der übliche Rahmen vorsieht. Die Kriminalpolizei hat sich bei der Behandlung von Beschuldigten selbstverständlich im Rahmen der geltenden Gesetze zu bewegen. Was Beamten der Kriminalpolizei im Umgang mit Tatverdächtigen im demokratischen Rechtsstaat nicht erlaubt ist, wird in einer Reihe von Bestimmungen des Strafgesetzbuches gesagt. Sie sind nochmals zusammengefaßt und ohne Strafandrohung im § 136a der Strafprozeßordnung erweitert worden. Einen Katalog aber für das, was bei Beachtung der Verbotsbestimmungen im Rahmen kriminaltaktischer Maßnahmen gestattet ist, gibt es aus naheliegenden Gründen nicht. Die Kriminalpolizei muß sich den Gegebenheiten des Einzelfalles anpassen. Kriminalpolizeiliche Aufklärung kann sich nun mal nicht in der wohlgeordneten Atmosphäre einer Gerichtsverhandlung oder einer verwaltungsmäßigen Tätigkeit abspielen.«
    »Herr Kriminalrat, wollen Sie damit sagen, dass es der Kriminalpolizei lediglich verboten ist, Beschuldigte in ihrem Gewahrsam Druckmitteln auszusetzen, dass jedoch andererseits eine besonders entgegenkommende Behandlung, um das Wort Vergünstigung zu vermeiden, eine Ermessensfrage der untersuchenden Kriminalbeamten ist?«
    »Es ist eine Ermessensfrage, soweit durch Gewährung von Erleichterungen die Freiheit der Willensentschließung und die Freiheit der Willensbestätigung nicht beeinflusst und der Sinn der Untersuchungshaft nicht umgangen wird.«
    Die Düsseldorfer Kripo war sichtlich bemüht, die delikate Angelegenheit zu relativieren. Denn sollte es den Verteidigern Reichensteins tatsächlich gelingen, die behauptete »Sonderbehandlung« nachzuweisen, würde die Glaubwürdigkeit Bünings erheblich leiden – und eine Verurteilung des Hauptangeklagten in den wesentlichen Punkten der Anklage wenigstens gefährden.
    Die letzte Zeugin vor den Gutachten der medizinischen Sachverständigen war noch einmal Klara Reichenstein. In einem roten Strickkleid stand sie vor dem Zeugentisch. Bescheiden, jede Aussage sorgsam abwägend. Zu den chemischen Experimenten ihres Mannes sagte sie: »Ich habe ihn verschiedentlich gefragt, da war seine Antwort, er wolle Tinte erfinden.« Geglaubt habe sie das jedoch nicht. Denn: »Er hat mich auch über seinen Verdienst belogen. Angeblich bekam er 85 Mark. In Wirklichkeit hat man ihm aber 117 Mark Wochenlohn ausbezahlt.«
    Klara Reichenstein sollte auch als Leumundszeugin gehört werden. »Sie können in dieser Beziehung doch wohl am besten etwas über Ihren Mann erzählen«, forderte sie der Vorsitzende auf. Sie wollte auch erzählen. »Es gab nicht nur schlechte Tage in unserer Ehe«, sagte sie leise, »es gab auch gute Zeiten. Aber im Großen und Ganzen war unsere Ehe eine Hetzjagd, weil mein Mann immer nervös und unruhig war. Oft hat er mich allein gelassen, auch nachts und sonntags. Wir haben deswegen oft gestritten.« Einmal habe ihr Mann sie bei einer solchen Auseinandersetzung gegen den Ofen geschleudert: »Ich hatte danach monatelang Brandverletzungen.« Als Grund für seine nächtlichen Extratouren habe

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