Der Liebespakt
of Rutherford würde wohl kaum eine ängstliche Törin zur Frau nehmen wollen. Sie schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse, schloss kurz die Augen und versuchte an ihren Vater zu denken - diesen Lumpen.
Er war daran schuld, dass sie hierher kommen und sich in dieser demütigenden Weise vor einem Fremden erniedrigen musste. Beim Gedanken daran erfüllte Bitterkeit sie, und als sie aufblickte, hatten sich die Züge in ihrem bleichen Gesicht verhärtet. Ihre weichen, vollen Lippen waren zusammengepresst und schmal, ihre Augen blickten kühl. So ist es schon besser.
Zufrieden mit dem, was sie nun sah, blickte sie nochmals auf ihr tief dekolletiertes blaues Seidenkleid hinab, das dem Anlass wohl nicht ganz angemessen war, wie sie sich eingestehen musste. Erst letzte Woche hatte sie es in Mrs Rensackers Geschäft in London gekauft. Es hatte dort mit anderen teuren Kleidungsstücken, die von frivolen Herren in Auftrag gegeben und niemals abgeholt worden waren, zum Verkauf gestanden. Der Farbton der Seide betonte ihre ungewöhnliche Augenfarbe und die Helligkeit ihres aschblonden, seidigen Haars. Caroline hatte mit ihrer Mutter viel Zeit darauf verwendet, das liegen gebliebene Kleidungsstück modisch umzuarbeiten und ihrer Figur anzupassen. Da weder sie noch ihre Mutter sehr gut mit der Nadel umgehen konnten, hatten sie schreckliche Angst gehabt, dass ihnen eine Naht misslingen würde. Doch entgegen aller Befürchtungen war das Kleid sehr hübsch geworden. Es war jeden Penny wert gewesen, den sie dafür hatten bezahlen müssen.
Gewissensbisse überkamen sie. Für dieses Kleid hatten sie fast alles Geld ausgeben müssen, das der Verkauf einer Brosche ihrer Großmutter eingebracht hatte. Zur Trauer über den Verlust einer so kostbaren Erinnerung gesellte sich noch die Furcht, viel zu viel Geld auf den wahnsinnigen Plan verwendet zu haben, der sie hierher geführt hatte. Geld, das sie nur schwer entbehren konnten, Geld, das James so nötig brauchte. Mühsam schob sie den Gedanken daran beiseite und warf sich selbst einen letzten prüfenden Blick zu. Ja, ich sehe gut aus.
Von der Tür her hörte sie ein Geräusch. Jemand - ein Mann -räusperte sich. Erschrocken wirbelte sie herum.
Der Mann schloss die Türflügel und fixierte Caroline mit leuchtend grünen Augen, die böse zu funkeln schienen. Seinem arroganten, herrischen Gesichtsausdruck und dem eleganten Schnitt seiner Kleidung nach zu urteilen war dies nicht etwa ein weiterer Bediensteter, sondern der Hausherr selbst: Magnus Eddington, Earl of Rutherford.
Aber das ist doch nicht möglich, dachte sie verwirrt. Für einen Mann, der im Sterben lag, sah er viel zu gesund aus. Und er war auch viel jünger, als sie erwartet hatte -vielleicht dreißig Jahre alt. Aufmerksam musterte sie ihn. Er war bestimmt einen Kopf größer als die Männer in ihrer Bekanntschaft und daher auch als sie - denn den meisten konnte sie direkt in die Augen blicken. Die modisch steife gelbseidene Weste unter dem frisch gestärkten Kragen seines Hemdes und die lässig geschlungene honiggelbe Halsbinde wirkten angesichts seines breiten Brustkorbs und seiner kräftigen Schultern fast übertrieben künstlich. Eine sorgfältig geschneiderte, taillenlange Frackjacke schmiegte sich eng um seinen statuenhaften Oberkörper und betonte seine schmale Taille. Die dazu passende Hose saß eng auf den Hüften und ließ muskulöse Oberschenkel erkennen. Oh ja, dies hier war sichtlich ein Mann in bester Verfassung. Caroline war sich nach eingehender Betrachtung sicher, dass er nicht der invalide Earl sein konnte, den sie eigentlich erwartete.
„Mit wem habe ich die Ehre, Sir?", fragte sie nach einem Moment des Schweigens
verunsichert. Ihre Stimme klang
selbst in ihren Ohren hoch und unnatürlich.
Er verbeugte sich leicht, fast spöttisch. „Magnus Edding-ton, Miss Wembly. Ich stehe zu Ihren Diensten."
Caroline war überrascht. Das Bild, das sie vor ihrem geistigen Auge gesehen hatte, war das eines eitlen, kranken, älteren Mannes, denn sie hatte Gerüchte über seine amourösen Eskapaden und seinen zweifelhaften Ruf gehört. Sie hatte einen kranken Dandy erwartet, doch der vor Kraft strotzende, gesund wirkende Mann vor ihr entsprach ihren Erwartungen nicht.
Und dieser Mann hatte sie dabei ertappt, dass sie wie ein Pfau vor dem Spiegel herumstolziert war! Was musste er nur von ihr denken! Die leichte Scham niederringend, die sie überkommen hatte, blickte sie ihm geradewegs in die Augen. „Mylord?" Je
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