Der Liebespakt
diversen Marmeladenschalen, einer Schale mit Gebäck, einer Sahneschüssel und zwei hauchdünnen chinesischen Porzellantassen mit Tellern, abgestellt hatte, griff Caroline entschlossen nach der Teekanne und schenkte anmutig zwei Tassen Tee ein. Kein Tropfen ging verloren. Im Stillen dankte sie für dieses kleine Wunder.
„Sie haben also keinerlei Klatsch über mich gehört, nein?"
„Nicht, dass ich wüsste, Mylord."
„Nicht einmal die Geschichte vom Duell auf dem Festland? Ich muss sagen, die gefällt mir. Ziemlich beeindruckend, was ich angeblich so getan habe, finde ich. Natürlich ist alles völlig aus der Luft gegriffen, aber, nun ja, ich finde die Geschichte amüsant."
„Ach ja?", murmelte sie, während sie Sahne in ihren Tee rührte.
„Sie werden im Laufe der Zeit einige Geschichten über mich zu hören bekommen, von denen die meisten, wenn nicht alle, wenig schmeichelhaft sind. Sehen Sie, ich bin eine umstrittene Person. Das heißt, dass sich meine Zeitgenossen nicht entscheiden können, ob ich ein Strolch, ein Schuft oder
ein Halunke bin. Die Wahrheit ist, dass ich all das und doch nichts davon bin, wenn Sie mir erlauben, diese Behauptung aufzustellen. Diejenigen, die - aus welchem Grund auch immer - eine gute Meinung von mir haben, werden Ihnen zweifellos von meinen Tugenden berichten können, auch wenn mir selbst im Augenblick keine in den Sinn kommen will. Andere - um ehrlich zu sein: die meisten - werden Sie mit Erzählungen über meine Missetaten unterhalten. Es ist natürlich notwendig, zu erwähnen, dass die Gerüchte über meine kriminelle Natur stark übertrieben sind." Trotz ihres Leugnens aus Höflichkeit hatte sie schon viel über ihn gehört, unter anderem die unwahrscheinliche Behauptung, dass er Queen Victorias erster Liebhaber gewesen sei. Einige behaupteten, dass sie aus Liebe zu ihm krank geworden sei, kurz bevor sie ihren teuren Prinz Albert kennengelernt habe, und dass sie dem Earl erlaubt habe, sie liebevoll „Drina" zu nennen. So hatte man sie in ihrer Kindheit genannt, als sie die verarmte, einsame Prinzessin Alexandrina Victoria gewesen war. Caroline legte den Silberlöffel auf den zierlichen Unterteller. „Und was hat es dann mit diesem ,Duell auf dem Festland' auf sich?"
Er lachte. Zwei Reihen gesunder weißer Zähne blitzten auf, um seine Augenwinkel bildeten sich Lachfältchen, und ein Grübchen erschien in seiner rechten Wange! Ein
Grübchen! Es verschlug ihr den Atem. Verblüfft sah sie ihn an.
Er war wirklich ein gut aussehender Mann. Warum war es ihm nur so schwergefallen, eine Ehefrau zu finden? Sicherlich gab es Dutzende von schmachtenden Seelen, die um das Privileg wetteiferten, seine letzten Tage auf Erden versüßen und sein Kind zur Welt bringen zu dürfen.
„Das Duell", sagte er und zog die Brauen verwegen hoch, „hat nie stattgefunden.
Der Geschichte zufolge hat mich ein gewisser Gentleman, mit dem ich, sagen wir, eine Meinungsverschiedenheit hatte, zu einem Zweikampf herausgefordert, und wir sind aufs Festland gefahren, um uns auf legale Weise zu duellieren. Dort, so erzählt man sich, hätten wir unsere Waffen gewählt, das Todesfeld abgeschritten, und ich hätte ihn ruhigen Blutes getötet. Je nach Neigung des jeweiligen Erzählers werden Sie Fassungen dieser Geschichte hören, in denen ich auf den noch warmen Körper meines Opfers spuckte oder in der Woche nach seinem Tod ein wüstes Saufgelage gab, um den Tod des armen Kerls angemessen zu feiern."
Sie zollte ihm insgeheim Anerkennung. Er war aufrichtig gewesen und hatte nicht an Details gespart, obwohl es ihm unangenehm gewesen sein musste. Dennoch - hätte sie die Geschichte nicht schon gekannt, wäre sie wohl schockiert gewesen.
„Keine dieser Versionen entspricht der Wahrheit." Er war für einen Moment von einem Staubfussel auf seinem Ärmel abgelenkt. Mit gerunzelter Stirn nahm er ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und schnippte ihn in die Luft. Dann wandte er sich ihr wieder zu und fuhr fort: „Die Geschichte beruht auf einer Tatsache: Ein gewisser Gentleman beschuldigte mich, dass ich mich seiner Frau gegenüber unsittlich benommen hätte. Er forderte mich zu einem Duell heraus, und er starb während eines Duells auf dem Festland, wo ich mich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls aufhielt. Damit ist der wahre Teil der Geschichte auch schon zu Ende. Tatsächlich reiste der Mann in die Provence, weil es hieß, dass ich dort Freunde besuchen würde. Er wollte mich dort abpassen und mir den
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