Der Liebespakt
„Dann also verabschiede ich mich nun und lasse Ihnen meine Honorarforderung morgen mit einem Boten zukommen. Wenn Sie mir eine letzte Frage gestatten - was werden Sie jetzt tun?"
Magnus musterte ihn langsam von oben bis unten. Er wünschte, dieser Mann würde endlich gehen. Sein Bedürfnis nach etwas Hochprozentigem war überwältigend, und er konnte sich schlecht ein Glas einschenken, ohne auch dem Arzt eines anzubieten. Doch verspürte er nicht den leisesten Wunsch nach dessen Gesellschaft.
Die Diagnose des Mediziners war für ihn keine Überraschung. Die anderen zurate gezogenen Ärzte hatten das gleiche Leiden festgestellt: einen Herzfehler, so wie sein Vater ihn auch gehabt hatte. Alles, was ihm die von ihm konsultierten Leuchten der Wissenschaft hatten sagen können, war, dass keine Aussicht auf Besserung seines Herzleidens bestand und er in weniger als einem Jahr unter der Erde liegen würde, sollte die Krankheit so rasch wie bisher voranschreiten.
So zog er spöttisch eine Augenbraue hoch und zuckte die Schultern. „Was ich tun werde? Natürlich, mein Lieber, werde ich mir so bald wie möglich eine Frau suchen
und mit ihr schlafen, so oft meine schwindende Lebenskraft es mir erlaubt. Mit etwas Glück sollte es mir noch gelingen, einen Erben zu zeugen, bevor Gras über mich wächst."
Der Arzt blickte ihn entsetzt an.
Ein wenig reuten den Earl seine rohen Worte, kaum dass sie ausgesprochen waren. Dass er seinen Zorn an dem armen Mediziner ausließ, war ungerecht, denn dieser konnte nicht mehr für sein Unglück als er selbst. Aber was erdreistete sich dieser Mann auch zu solchen Fragen?
„Sie belieben zu scherzen, Mylord!"
Dieser lächelte nonchalant. „Ich meine es ernst - todernst. Nun, Herr Doktor, wenn Sie jetzt bitte gehen würden ... Ich wäre wirklich gern allein!"
Nachdem der eingeschüchterte Arzt hinausgehuscht war, füllte sich der Earl in aller Ruhe ein Glas Whiskey, leerte es, ohne auch nur ein einziges Mal abzusetzen, und füllte es von neuem. Dann ging er zum Kamin und sah auf die kalte weißgraue Asche hinab. „Asche zu Asche, Staub zu Staub", flüsterte er gedankenverloren. Durch die offen stehenden Salonfenster drang fröhliches Vogelgezwitscher und flutete Licht herein. Er blickte nach oben und legte eine Hand auf den Kaminsims. Mit den Fingern seiner Linken zeichnete er das Lorbeerdekor nach. Es war wunderschön. Nie zuvor hatte er es bemerkt.
Zum Teufel, ich werde rührselig, dachte er und trank einen weiteren Schluck aus seinem Glas. Genießerisch konzentrierte er sich auf das heiße Brennen, das die Flüssigkeit verursachte, während sie seine Kehle hinunterrann. Schmerz zu fühlen hieß lebendig zu sein.
Ja, er wurde entschieden rührselig.
Fürchtete er sich etwa?
Zu seiner eigenen Überraschung musste er sich eingestehen, dass dem ein wenig so war. Er fürchtete sich nicht vor dem Tod selbst. Sein Tod lag noch in so weiter Ferne - in zu weiter Ferne, als dass er ihm schon als reale Bedrohung erschien. Er trank noch einen Schluck Whiskey und grübelte weiter. Dass nichts von ihm auf dieser Welt zurückbleiben würde, das war es, was er fürchtete.
Obwohl er leichthin gesprochen hatte, war jedes Wort, das er vorhin dem Doktor gegenüber geäußert hatte, ernst gemeint gewesen. Seit der erste Arzt das Todesurteil über ihn gesprochen hatte, spürte er das merkwürdige Verlangen, eine Erinnerung an sich zu hinterlassen. Die Hoffnung, es könnte eine andere Erklärung für die merkwürdigen Anfälle geben,
die ihn seit sechs Monaten immer wieder überkamen, hatten ihm die Ärzte nach und nach geraubt. Die Hoffnung war verdrängt von dem Verlangen nach dem Einzigen, das letztlich Bedeutung und Bestand hatte: dem Verlangen nach einem Erben.
Der Wunsch nach einem Erben war vermutlich ganz normal, aber er hatte ihn nie zuvor mit einer solchen Macht verspürt, die schon an Besessenheit grenzte. Nun würde er bald sterben und hatte nur noch sehr wenig Zeit.
Er stellte das Glas ab. Dann griff er nach der Whiskeyflasche, ließ sich in einen Ledersessel sinken, trank und blickte starr auf den Boden, bis David eintrat.
Sein Bruder sah ihn fragend an und nahm ihm gegenüber Platz. Sie verharrten schweigend, bis Magnus mit schwerer Zunge sagte: „Such eine für mich, David, du weißt schon -eine Ehefrau."
1. KAPITEL
Rutherford, Cambridgeshire, England 1847
Mit flauem Magen, aber kerzengerade durchgestrecktem Rücken hob Caroline Wembly den schweren Türklopfer aus Messing
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