Der Liebespakt
ihr Adressbuch ins Digitale zu verlegen und mit einem Codewort zu sichern. »Jeder Blödmann, der dein Adressbuch findet, kann darin herumblättern und sich Nummer für Nummer abschreiben«, hatte er wieder und wieder gesagt. Aber Toni hatte ihn für paranoid erklärt. »Wer interessiert sich denn dafür, wen ich kenne?« Doch Georg hatte recht gehabt, denn jetzt schlug Sebastian Koch den Buchstaben »G« auf. Gebauer, Ganz, Gesine, Goméz, Gemüsehandel Friedrich. Kein Gynäkologe. Sebastian Koch fluchte. Er hatte keine Zeit, das ganze Adressbuch durchzublättern. »A«, dachte er plötzlich. »A« wie »Arzt«.
Da standen sie alle, fein säuberlich aufgelistet. Hausarzt, Zahnarzt, HNO-Arzt, Hautarzt und Gynäkologe. Schnell fotografierte Sebastian Koch die Seite ab und legte das Adressbuch zurück. Stimmen drangen an sein Ohr, irgendetwas hatte sich vorne im Wohnzimmer verändert, vielleicht war das Interview vorbei. Er musste schnell nach vorne. Er hatte sich schon fast
umgedreht, da fiel sein Blick auf den Papierkorb unter Tonis Schreibtisch. Er war fast leer. Fast. Darin lag nur ein zusammengeknüllter karierter Zettel. Sebastian Koch fischte ihn heraus, öffnete ihn und las: »25 000 000«. Die drei letzten Nullen waren offensichtlich nachträglich angefügt worden, denn sie waren mit anderer Tinte geschrieben.
Sebastian Koch atmete laut aus. Er wusste sofort, dies war nicht irgendein Zettel. Etwas war faul in der Ehe Jungbluth, vermutlich hatte er sie tatsächlich gekauft. Natürlich war dieses Schmierblatt kein Beweis. Aber er hatte jetzt die Sicherheit, auf der richtigen Spur zu sein. Er würde diese Geschichte hart kriegen. Koste es, was es wolle.
Sebastian Koch steckte den Zettel in die Hosentasche, schob das Adressbuch wieder an seinen ursprünglichen Platz zurück, schloss leise die Tür und ging zurück ins Wohnzimmer. Die Jungbluths saßen immer noch auf der Terrasse, vor sich ihr falsches Frühstück, und plauderten ein wenig mit der Fernsehmoderatorin. Offensichtlich war das eigentliche Interview vorbei, denn die Kabelträger packten zusammen, auch der Kameramann war mit der Kamera auf dem Weg zum Ausgang. Niemand hatte sein Verschwinden bemerkt.
Was für eine geniale Show, dachte Sebastian Koch, als er sah, wie Tonis Hand auf Georgs Hand ruhte. Ein Paar, das der Öffentlichkeit eine solche Schmierenkomödie vorspielt, darf keine Rücksicht erwarten. Ich, Sebastian Koch, werde sie fertigmachen. Dann betrat er lächelnd die Terrasse.
Georg, der ihn tatsächlich kurzzeitig vergessen hatte, betrachtete ihn mit einer Mischung aus Abneigung und Respekt. Er spürte, der Junge würde mal ein Großer werden. Der konnte was. Aber wo hatte er bloß die ganze Zeit gesteckt? Vermutlich hatte er vom Loft aus dem Interview zugesehen, versuchte sich Georg zu beruhigen. Kein Grund zur Panik.
»Sie hatte ich fast vergessen«, sagte Toni freimütig, als sie Sebastian Koch sah.
Dessen Lächeln wurde nun säuerlich. »Ja, Überraschung, ich bin auch noch da. Eine Frage fiel mir eben noch ein - wissen Sie schon, in welchem Raum Sie das Kinderzimmer einrichten werden?«
Toni und Georg schauten einander verdutzt an. An solche Details hatten sie noch nie gedacht. Sie schwiegen betreten.
»Im Arbeitszimmer meiner Frau«, sagte Georg nach einer Weile schleppend. Toni nickte dazu heftig bejahend.
Im Arbeitszimmer deiner Frau, dachte Sebastian Koch. Das Zimmer mit den nackten Betonwänden. Das Zimmer mit Panoramafenstern bis auf den Boden, die sich komplett öffnen ließen und deshalb für ein Kleinkind lebensgefährlich waren. Das Zimmer, das sich - wegen der riesigen Fensterfront - kaum verdunkeln ließ. Wo ab frühmorgens die Sonne hereinknallte und den Raum gleißend hell machte.
Niemals, niemals war dieses Ehepaar schwanger. Es war alles eine große Farce. Und er würde es beweisen.
16
Es war ihr erstes berufliches Treffen seit Wochen. Toni wusste, es war an der Zeit, sich wieder zu zeigen. Wenn sie in wenigen Monaten ihr eigenes Büro eröffnen wollte, dann brauchte sie ein, zwei Großkunden, die Aufträge an sie vergaben. Matthias Kammroth war so ein Großkunde - er war inzwischen Besitzer vier sehr stylisher Hotels, drei davon in Berlin und eins in London. Es hieß, das nächste sei in Planung. Toni hatte schon öfter für ihn gearbeitet, man kannte und schätzte sich. Dass Toni bei Anselm gekündigt hatte, schien Matthias Kammroth kaum zu überraschen.
»Es hat mich gewundert, wie lange du es bei ihm
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