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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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beobachtete. In dieser Sekunde hatte Sebastian Koch tatsächlich Toni erreicht und sprach sie an. Wie freundlich, wie naiv der Redakteur jetzt schaute. Alles Lauernde war aus seinem Gesicht verschwunden. Das machte Georg nun wirklich nervös.
    »Entschuldigen Sie«, murmelte er und ließ Liliane Moya stehen, die ihm enttäuscht hinterherschaute.
    Als Georg bei den beiden angekommen war, hatte Toni dem Jungredakteur gerade einen Berg Tischläufer in den Arm gedrückt. Jetzt suchte sie Geschirr zusammen.
    »Willst du mir auch tragen helfen?«, fragte sie Georg spöttisch. »So viele Kavaliere hatte ich ja schon lange nicht mehr im Haus. Muss wohl am Fernsehen liegen.« Sie reichte Georg ein Tablett mit Tellern, Untertellern, Tassen und Besteck. Doch weder Georg noch Sebastian Koch machten sie auf den Weg zur Terrasse.
    Er traut dem Journalisten nicht, dachte Toni. Ich auch nicht. Sie ging in die Hocke und tat so, als würde sie nochmals in der Tischwäsche wühlen. Dabei nickte sie Georg ganz sacht zu, ja, ich habe verstanden. Wir sind vorsichtig. Wir sind ein Team. Dieses Teamgefühl war in ihre Ehe tatsächlich zurückgekehrt. Verrückt, dachte Toni. Durch den Notarvertrag waren sie jetzt dort angekommen, wo ihre »Gartenlaube«-Romane meist einsetzten: in der Vernunftehe. Die höchste Tugend der Vernunftehe
war nicht Liebe oder Leidenschaft. Es war die Verlässlichkeit. Draußen auf der Terrasse war der Kabelträger mit Kaffee und Croissants zurückgekehrt. Liliane Moya winkte den Herren mit der Tischwäsche und dem Geschirrtablett ungeduldig zu. Eine Frage, dachte Sebastian Koch, eine einzige Frage habe ich noch frei. Dann sind die beiden zurück in den Klauen der Fernsehtante. Ich brauche jetzt etwas, etwas Neues, ein Zitat, das eine Schlagzeile abwirft. Ist Ihre Ehe glücklich? Nein - darauf werden die beiden mit »Ja« antworten, was sonst. Trimmt sich Ihr Mann die Nasenhaare? Nein - auf die Antwort war niemand scharf. Es musste etwas Einfaches sein, etwas Konventionelles, etwas, was immer lief.
    »Wird es ein Junge oder ein Mädchen?«, fragte Sebastian Koch.
    »Das geht Sie einen Dreck an«, knurrte Georg. Dann ließ das Ehepaar Jungbluth den Redakteur stehen und ging zurück zur Terrasse.
    Draußen wurde jetzt der Frühstückstisch gedeckt, Georg ein letztes Mal gepudert, die Mikros wurden angelegt und die perfekten Sitzpositionen gesucht. Licht, Kulisse, Tischgedeck - alles musste stimmen. Bald lief die Kamera, man sah das junge Ehepaar frühstückend vor einer spektakulären Berliner Kulisse. Croissants wurden nun aus dem Brotkorb gefischt, gebrochen und die Enden mit einem Löffel tiefroter Marmelade versüßt. Es sah alles wirklich echt aus.
    Warum hänge ich noch hier herum?, fragte sich Sebastian Koch und fluchte innerlich. Nun kam die Stylistin, um Toni, deren Wangen im warmen Maiwind und unter der direkten Sonneneinstrahlung etwas rot geworden waren, kurz nachzupudern, bevor Liliane Moya zum großen Homestory-Interview ansetzte. Zukunft, Hoffnung, Träume.
    »Herr Jungbluth, hinter jedem starken Mann steht eine starke
Frau, heißt es …«, begann sie. Sie holte Luft, um ihren Satz weiterzuführen.
    Grauenhaft öde, dachte Sebastian Koch und entfernte sich leise von der Terrasse. Was für ein Wohnzimmer. Das Wohnzimmer allein war größer als seine ganze Wohnung. Dann dieses Bild an der Wand, er kannte so etwas nur aus den Kunstmagazinen und Trendzeitschriften, die er seit zwei Jahren sammelte. Früher hatten Jungs wie er Platten gesammelt, heute waren es Magazine. Er ging tiefer in die Wohnung hinein, vorbei an der teuren Küche mit den langen, glatten Flächen aus Edelstahl und schwarzem poliertem Schiefer - alles tipptopp sauber, fast steril. Es hat etwas von einer Pathologie, ging es Sebastian Koch plötzlich durch den Kopf. Er spürte, dass hier selten oder nie gekocht wurde. Auf dem Boden der Milchkaffeeschalen hatte er Preisaufkleber entdeckt. Normalerweise wären die spätestens nach der zweiten oder dritten Spülmaschinenwäsche ab. Aber nicht hier. Benutzten die Jungbluths ihr Geschirr womöglich nie? Frühstückte dieses Paar überhaupt jemals zusammen?
    Neben dem Küchenblock öffnete sich der Durchgang in den hinteren Teil der Wohnung. Obwohl dieses Dachgeschoss modern ausgebaut worden war, hatte es doch die typische Berliner Altbau-Aufteilung übernommen: vorne ein riesiges repräsentatives Wohnzimmer für die Gäste, ein Esstisch, eine repräsentative Küche, wie sie inzwischen auch in

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