Der Liebespakt
ausgehalten hast«, sagte er nur. Toni und er duzten sich schon eine Weile. Die Musik dudelte angenehm, es war noch nicht viel los im Restaurant. Sie hatten sich am späten Nachmittag in einem seiner Hotels getroffen. Hier gab es Fusion-Food, Coriander-Krabbenfleisch-Bouletten an Ingwer-Gurkensalat und Ähnliches. Toni war froh, dass noch nicht Essenszeit war. Diese ganze Fusion-Küche war ihr zu gewollt. Sie aß all die exotischen Nationalgerichte ganz gern, aber bitte einzeln, nicht alle durcheinander, wie etwa ein chinesisch-vietnamesisches Tofugericht mit äthiopischer Beilage und italienischem Dressing.
Die Getränke dagegen waren toll. Toni nippte an ihrem Cocktail, einem Chinese Chin-Chin. Es tat gut, mal nicht schwanger sein zu müssen. Sie war sich ziemlich sicher, Matthias Kammroth
wusste nichts von den Gerüchten, er hatte ja kaum Zeit, die normalen Nachrichten zu verfolgen. Für Klatschkram in den Medien fehlte ihm erst recht die Muße, außerdem bekam er schon in seinen Hotels vom aufregenden Leben der Prominenten genug mit. Sein Bedarf an schmutziger Wäsche war absolut gedeckt. Matthias Kammroth musterte Toni neugierig.
»Du siehst gut aus. Verändert. Irgendwie weicher«, sagte er.
Toni grinste ihn an. »Ich habe keinen Liebhaber, wenn du das jetzt glaubst. Ich habe einen …«
So lief es immer zwischen ihnen. Toni und Matthias Kammroth konnten nicht aufeinandertreffen, ohne ein bisschen miteinander zu flirten, weil beide genau wussten, es würde nie etwas passieren. Matthias Kammroth war kein Mann, mit dem eine Frau sich einlassen sollte. Er war unverheiratet und polygam. Das Angebot für einen Mann wie ihn war einfach zu gut und zu üppig. Denn bei ihm kam alles zusammen: Charme, Intelligenz, gutes Aussehen, Einfluss, Geld. Meistens war Matthias Kammroth mit Schauspielerinnen zusammen, aber selten länger als vier, fünf Monate. Die meisten Schauspielerinnen nahmen sich selbst zu wichtig und dachten, nur weil sie in einigen Gazetten auftauchten, sie seien der Nabel der Welt. Sie ließen sich mit ihm ein, im festen Glauben, er werde sich für sie entscheiden, weil kein Mann so eine heiße Frau weiterziehen lassen würde. Aber dann, nach ein paar Monaten, servierte er die It-Girls trotzdem ab, egal, wie sehr das eine oder das andere gerade in der Presse hochgejubelt wurde. Ob in Babelsberg oder Hollywood, es gab immer eine, die noch reizender war als die, mit der er gerade das Schlafzimmer teilte. Da war er vollkommen skrupellos. Genau deshalb würde Toni immer die Finger von ihm lassen. Sie wollte ihn als Auftraggeber, als Freund, mehr nicht. Ein kleiner Wiedersehensflirt war also völlig unbedenklich.
Aber heute spielte Matthias Kammroth nicht richtig mit. Er sah Toni traurig an - ein Ausdruck, den sie bei ihm noch nie gesehen hatte.
»… ja, ich weiß, du hast einen Ehemann«, sagte er, aber es klang nicht lustig wie sonst, sondern bedrückt. Normalerweise war die Erwähnung von Georg ein Running Gag. Georg war der Schutzschild, den Toni immer hochhielt, wenn Matthias Kammroth eine neue Flirtattacke ritt.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Toni irritiert. Sie machte sich plötzlich Sorgen. Womöglich hatte er doch Probleme damit, Anselms Designbüro zu verlassen und den nächsten Auftrag ihr zu geben. Vielleicht hätte sie sich besser vorbereiten sollen. Nein, Quatsch, dachte Toni. Ich bin hervorragend vorbereitet. Sie hatte in den letzten zwei Wochen intensiv von zu Hause aus gearbeitet. Sie hatte Entwürfe gemacht für das neue Hotelprojekt, neue Möbel am Computer designt und mit völlig neuem Material experimentiert. War sie früher auf günstiges Metall (meist Blech) fixiert gewesen, auf Plastik und Furnier, arbeitete sie jetzt mit Nussbaumholz, Horn und Edelmetall. Ihre Formen waren runder geworden, harmonischer. Die Dinge, die sie sich jetzt ausdachte und die teilweise von ihren Handwerkern schon als Prototypen gebaut wurden, waren angenehm anzufassen. Sie waren haptisch. Es machte ihr Spaß, neue Wege zu gehen. Außerdem brauchte sie die Arbeit mehr denn je.
»Antje war standhaft und tapfer; sie suchte Ruhe in der Arbeit, und sie hatte deren mehr als genug. Die trüben Gedanken, die nach der Arbeit kamen, die Fragen an die Zukunft, auf die keine Antwort war als die eine: - ›Geduld‹ - suchte sie zu bannen.«
Toni merkte täglich, wie fremd sie sich in ihrem eigenen Leben fühlte. Allein schon die Wohnung. Diese Kälte. Diese Kantigkeit. Diese Gefühlsknausrigkeit. Warum war ihr
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