Der Liebespakt
Juristen, es fehlt ihr an Entscheidern«, pflegte Georg immer zu sagen. Aleksej Wolkow teilte diese Einschätzung, seitdem er wieder zum Leben erwacht war. Gut, sie hatten ihn zu den Verhandlungen nach Berlin abgeschoben. Na und? Er würde das Beste daraus machen. Berlin war die Hauptstadt von Deutschland, Deutschland war ein reiches Land, und der Konzern war
gut aufgestellt. Alle sagten, die Zeit des alten Europas sei vorbei, große Geschäfte ließen sich nur noch in Asien machen. Das mochte wahr sein. Aber stabile mittlere Gewinne, die nicht sofort bei einer kleineren Börsenschwankung einbrachen, waren auch etwas wert. Er würde aus dem deutschen Markt herausholen, war herauszuholen war. Ingeborg hatte ihm klargemacht, dass Georg der neue starke Mann im Konzern war. Wenn seine Arbeitgeber ihn vom asiatischen Markt fernhalten wollten, dann würde er den Zugang eben über den Umweg Berlin kriegen. Schwungvoll setzte Aleksej Wolkow seine Unterschrift unter die Verträge und schob sie zu Georg. Der hätte schreien können vor Freude, aber er ließ sich nichts anmerken. Die beiden Männer standen auf und gaben sich förmlich die Hand, was lustig aussah, weil sie sich dabei im Bademantel gegenüberstanden.
»Auf gute Zusammenarbeit«, sagte Georg.
»Ja, auf gute Zusammenarbeit. Und jetzt, Herr Jungbluth, feiern wir.«
Wie sich herausstellte, hatte Aleksej Wolkow im Kofferraum seines Maybachs eine Kiste Champagner ins »Waldschlösschen« geschmuggelt, die der Kochazubi - gegen eine Bestechung, die der Höhe seiner monatlichen Ausbildungsvergütung entsprach - in den Tiefen des Kühlraums versteckt hatte und nun unauffällig in den Park unter die große Kastanie schaffte. Dort knallten die Champagnerkorken, nachdem man gut ayurvedisch zu Abend gegessen hatte. Es gab wunderbar gedämpfte Gerichte, gefüllte Lotusblätter, Ingwerfisch mit Korianderghee, gedämpften Sojatofu und Huhn im Bananenblatt; außerdem verschiedene helle und dunkle Currys, schöne Suppen mit Chilischoten und sehr feinen Nudeln, sehr kleine gelbe, mit gewürztem Reis gefüllte Kürbisse, diverse Tempura und zum Abschluss fein mit Ingwer und Muskatnuss abgestimmte Fruchtsalate, die ein Joghurttopping hatten. Ein Traum, das mussten
alle zugeben, auch die Ayurveda-Zweifler am Tisch. Übrigens war man nun endlich angekleidet, die Männer trugen Anzug, allerdings ohne Krawatte, was ihnen ein angenehmes, familiäres Gefühl gab. Toni hatte ihr Kleid von Paul Smith angezogen, weiß und aus ganz leichtem Stoff, ohne Ärmel, nur das Dekolleté wurde verdeckt von einem transparenten weißen Chiffon, der alte Spitze imitierte. »Sehr hübsch«, hatte Aleksej Wolkow im Restaurant gesagt. Dann betrat Frau Schurz den Raum. Sie trug ein schwarz-weißes Chanel-Kleid, das ihr unglaublich gut stand. Ganz schlicht und sehr elegant. »Mmmmhhhm«, war Aleksej Wolkow herausgerutscht.
Die Stimmung unter der Kastanie war schnell gelöst. Die Körper waren vom Fasten, dem ayurvedischen Essen, den Saunagängen und Massagen fast willlenlos gegenüber dem zügellosen Champagner. Es wurde gelacht, getanzt, und irgendwann saßen die beiden Paare dicht nebeneinander auf den Liegen, starrten entweder in die Dunkelheit des Parks oder hoch hinauf in den schwarzen Himmel, der voller hell funkelnder Sterne war.
»Ich kann die Milchstraße sehen«, sagte Toni, erstaunt wie ein Kind. Georg schenkte ihr Champagner nach. Toni sprang mit dem Glas auf. »Kommen Sie mit, Frau Schurz. Dort vorne ist eine Lichtung. Da sehen wir den ganzen Sternenhimmel.«
»Das Sternenzelt«, antwortete Frau Schurz und ging mit ihr mit. Die Frauen verschwanden in der Dunkelheit, man sah noch lange das weiße Kleid von Toni und die weißen Flecken im Chanel-Kostüm von Ingeborg Schurz. Die Männer blickten ihnen hinterher.
»Herr Jungbluth, eine gute Frau an der Seite zu haben, eine Frau, die zu einem steht, die einen liebt, auch wenn es schwierig wird, wissen Sie eigentlich, was das wert ist? Ich weiß jetzt erst, wer mir wirklich zugetan war. Lange Jahre habe ich mich viel zu viel blenden lassen. Von Schönheit, von Ehrgeiz, von Aura, von
Jugend. Dabei habe ich Frauen aus den Augen verloren, die für mich ihr Leben gelassen hätten.« Aleksej Wolkow lallte schon ein wenig, man merkte, der Alkohol machte ihm zu schaffen.
Georg lachte. »Keine Frau muss für mich ihr Leben lassen. Das wäre wirklich zu viel verlangt«, sagte er.
»Nein, natürlich nicht. Aber es gibt sie, diese bedingungslose Liebe.
Weitere Kostenlose Bücher