Der Liebespakt
Toni war wie erstarrt, der Kopf begann zu arbeiten. Wie? Was jetzt? Warum? Doch dann spürte sie seine Hand an ihrem nackten Bein, sie schob sich zwischen ihre Knie und wanderte sehr langsam, sehr genüsslich nach oben. Wie die Flamme eines Gasherds sprang Toni plötzlich an, es war nichts mehr zu wollen, diese vielen Wochen ohne Leidenschaft, ohne Berührung. Toni küsste nun auch heftig, die beiden griffen nacheinander und zogen sich zueinander hin, und bald rollten und kugelten sie über die Lichtung, lachend, küssend und zunehmend nackter. Bis Georg in Toni eindrang oder besser, sie ihn hineinließ, denn beide saßen nun nackt im Gras, Toni auf Georg. Die Ayurveda-Kur hatte schon so gewirkt, dass sie unbewusst die Schmetterlingsstellung aus dem Kamasutra eingenommen
hatten. Irgendwann, in ihrer größten Ekstase, ließ sich Georg nach hinten ins Gras fallen, und auch Toni bog ihren Oberkörper durch, sodass sie in den Himmel schaute, während sie gleichzeitig mit Georg kam und laut aufschrie.
Danach lagen sie eng umschlungen im Gras. Eine kleine Spinne krabbelte über Tonis Hüfte. Georg schnippte sie zärtlich weg. Er küsste Toni auf die Stirn.
»Mit Karoline …«, begann er zögernd, »… vielleicht sollten wir …« Er brach wieder ab.
Karoline? Das war das Erste, was ihm wieder einfiel? Sie hatten gerade wunderbar miteinander geschlafen, und das zweite Wort, was er sagte, war: K-A-R-O-L-I-N-E. In Toni zog sich alles zusammen.
»Wir müssen nicht darüber reden«, sagte sie kühl.
»Äh, gut. In Ordnung. Besser so.« Daraufhin schwieg Georg. Und das war ein riesiger Fehler.
Wusste er nichts über Frauen? Wenn eine Frau sagt, darüber müssen wir nicht reden, dann durfte man das doch nicht wörtlich nehmen, dachte Toni, enttäuscht und wütend zugleich. Georg hätte aufspringen müssen: ›Doch, wir reden jetzt und hier. Ich will dich, Toni. Niemand sonst. Tut mir unendlich leid, dass ich das vergessen hatte. Aber du bist es - du bist die Frau, die ich wirklich liebe, die Frau, die ich geheiratet habe, die Frau, die mich unterstützt, die nicht loslässt, du bist die eine. Karoline ist niemand.‹ Und dann hätte er Toni hochheben und nackt ins Hotel tragen sollen. Nein, das wäre womöglich zu weit gegangen. Außerdem hätten sie ja keine Chipkarte für die Suite gehabt. Er hätte sie also hochheben, zu den Liegen unter dem Kastanienbaum tragen, ihr wie ein Gentleman das Jackett (mit der Chipkarte) überziehen und sie dann ins Hotelzimmer schleppen müssen, wo sie sich noch zwei- oder dreimal geliebt hätten - auf der Couch der Suite, unter der Dusche, im Bett.
Nach all den Monaten wäre dies die einzig richtige Reaktion gewesen. Stattdessen ein gestammeltes »äh, gut, in Ordnung, besser so«. Toni wurde kalt, Georgs Körper stieß sie nur noch ab. Sie roch auch nichts mehr.
Sie löste sich aus seiner Umarmung, richtete sich auf. »Ich friere, ich gehe jetzt zurück ins Hotel«, sagte sie, griff sich ihr Kleid und ihr Höschen, zog beides schnell an und nahm die Flipflops in die Hand. »Wo ist der Schlüssel?«, fragte sie.
»In meinem Jackett, es liegt unter der Kastanie«, sagte Georg. »Ist wirklich alles in Ordnung?«, fragte er zögerlich. Eine tödliche Frage.
»Alles bestens«, sagte Toni. »Ich gehe schon mal vor.« Und weg war sie.
Georg machte sich daran, seine Sachen zusammenzusuchen. Hemd, Hose und Unterhose fanden sich leicht in der Dunkelheit, nur die Schuhe fehlten noch. Trotz Tonis abrupten Abgangs zog er sich gut gelaunt an. Die würde sich schon wieder einkriegen. Vermutlich war sie einfach geschockt, dass sie noch mal miteinander geschlafen hatten. Ein letztes Mal? Ein erstes Mal? Georg hatte kaum Lust, sich Gedanken darüber zu machen. Wahrscheinlich würden sie irgendwann mal dicke Freunde werden, der Sex würde abnehmen, und am Ende hatte man sich ohne Herzschmerz getrennt. Außerdem, hey, keine Trübsal. Er hatte einen super Vertragsabschluss gemacht. Er war der künftige Vorstandschef. Georg fing an zu pfeifen.
Am Hotel hörte er ein Auto anspringen. Der Lichtkegel durchdrang die Büsche und Bäume des Parks, während das Auto die kurvige Hotelzufahrt herunterfuhr. Und da - mitten im Scheinwerferlicht, nur einen Moment lang - standen seine Schuhe. Erfreut jubelte Georg auf. Heute klappte einfach alles.
Toni war da schon raus aus der Hoteleinfahrt und auf der Landstraße. In anderthalb Stunden würde sie mit dem Mietwagen
den Flughafen erreicht haben, die erste Maschine
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