Der Liebespakt
Sein Feuer war tatsächlich unter Kontrolle.
Toni selbst genoss währenddessen eine Nasya-Massage, eine Massage ihres völlig verspannten Schulter- und Nackenbereichs. Die Öle auf ihrer Haut rochen wunderbar, und mit jedem festen Griff des Masseurs spürte sie, wie die Anspannung weiter von ihr abfiel. Es war, als knetete man ihr die letzten anstrengenden Monate förmlich aus dem Körper. Sie vergaß die Gala für den Hausfrauenbund, die falsche Schwangerschaft, Beate von Randow und ihr Küken Karoline, Frau Schurz und den traurigen Russen, ihr neues Hotelprojekt, und am Ende vergaß sie sogar Georg. Sie war nur noch bei sich. Es tat gut, bei sich zu sein. Hier, an diesem Ort, hatte sie eine echte Chance zu heilen. Sie atmete tief ein und aus, während der Masseur nun ihre Nebenhöhlen massierte. Sie hatte gewusst, dass das Ende ihrer Ehe sie belastete, aber in all den Wochen hatte sie nie zugelassen, wahrzunehmen, wie verspannt ihr ganzer Körper war.
Nun kam der Höhenpunkt der Massage - der Masseur installierte eine Kanne mit handwarmem Öl über ihrem Kopf, das ihr nun in einem dünnen, stetigen Rinnsal auf die Stirn rieselte. Ihre Augen waren geschlossen. Links und rechts floss das Öl
über ihr Gesicht, rann über ihre Wangen, über das Kinn, suchte seinen Weg durch ihr Haar, kitzelte sie an den Ohren. Die Welt verschwamm vor ihrem inneren Auge, sie wurde ganz weich.
Sanft verstrich der Masseur das restliche Öl mit einem Handtuch. »Noch glänzen Sie, aber lassen Sie es ruhig einziehen. Es tut Ihnen gut.« Und er machte ihr eine Liege im Schatten des weiten, stillen Parks zurecht. So lag sie im Bademantel unter einem mächtigen Kastanienbaum, blinzelte ab und zu ins Blätterdach und schlief dann tief und fest ein.
Als sie nach zwei Stunden wieder aufwachte, sah sie, dass Georg sich einen Stuhl geholt hatte und neben ihr saß und las. Wann hatte sie ihn zuletzt lesend gesehen? Es war nie Zeit dafür gewesen. Sie betrachtete ihn eine Weile, er bemerkte nichts, so vertieft war er.
»Ich liebe ihn«, dachte Toni. Das hatte sich nicht herauskneten lassen. »Ich liebe ihn.« Sie verband keine Handlung mit dem Gedanken - Georg zurückzugewinnen oder die Geliebte auszustechen. Sie hatte überhaupt keine Erwartungen mehr. Sie dachte es einfach nur, weil es so war. Sie liebte ihn. Aber sie sah auch ein, dass es keinen Sinn machte, sich weiter an ihn, an dieses Gefühl, an diese Idee zu klammern. Also ließ sie Georg los, in diesem Moment. Sie verband keine Hoffnung mehr mit dieser Liebe. Das Loslassen schmerzte nicht, so sehr im Reinen war sie mit dem Gefühl. Sie hatte genug gekämpft. »Ich liebe ihn, aber ich erwarte nichts mehr von ihm. Ich will nichts mehr. Soll er weiterziehen, wenn er es so sehr will.«
»Du bist ja wach«, Georg drehte sich erstaunt zu ihr hin, legte sein Buch auf die Knie. »Schon länger?«
Toni wich seinem Blick aus. »Schau mal, wer da kommt«, sagte sie.
Auf sie zu kam mit festem Schritt Aleksej Wolkow, dahinter folgte - in geringem Abstand - Frau Schurz, beladen mit mehreren
Dokumentenmappen. Beide waren im Bademantel, genauso wie Georg und Toni.
»Ingeborg sagte mir, dass Sie mich sprechen wollen.« Aleksej Wolkow kam ohne Umschweife zur Sache. Ingeborg? Damit war alles klar.
»Herr Wolkow ist bereit, in Verhandlung mit Ihnen zu treten. Ich habe alle Unterlagen mitgebracht«, sagte Frau Schurz. Sie sah so gelöst aus. Toni lächelte sie an, Ingeborg lächelte zurück.
»Das offene Haar steht Ihnen gut«, sagte Toni.
Georg begriff schnell. Jetzt oder nie. Diese Gelegenheit kam nicht wieder. Im Schatten der Veranda, dicht am Restaurant, stand etwas abseits ein freier Tisch, an dem man ungestört arbeiten konnte.
»Ich schlage vor, wir setzen uns dort drüben hin. Frau Schurz, würden Sie uns einen Tee servieren lassen? Um Kaffee muss ich hier ja nicht bitten«, sagte Georg zu seiner Sekretärin, die ihm die Aktenmappen in den Arm drückte. Plus einen Füllfederhalter, einen roten und zwei normale Bleistifte.
»Für mich einen Tee mit Minze. Und«, Aleksej schaute Frau Schurz liebevoll an, »danke, Ingeborg.«
Die nächsten 102 Minuten wurde hart verhandelt. Zum Glück waren die Verträge fast unterschriftsreif vorbereitet, nur bei einigen Punkten gab es noch Klärungsbedarf. Beide Männer wussten genau, wie ungewöhnlich die Situation war; eine Verhandlung ohne Beisein der Rechtsabteilung. Aber diese Freiheit nahmen sie sich einfach heraus. »Der Wirtschaft fehlt es nicht an
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