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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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Karoline und Tom schwankten bedrohlich, aber auch die Rosenstätters verhakelten sich, genauso wie die Delegation aus der Kantine - ein junger Küchenchef und seine Freundin, eine Küchenhilfe - und die Chefsekretärin mit ihrem Mann. Nur der Chefpförtner und seine Gattin zogen ohne größere Probleme bis zum Startpunkt. Sonst strauchelte alles vor sich hin, sehr zur Freude der Zuschauer, die schon jetzt vorfreudig johlten. Der Spaß ging ja erst richtig los, wenn Eier und Löffel verteilt waren.

    Dieses Eierrennen würde er nach seiner Amtsübernahme sofort abschaffen, entschied Georg innerlich. Er hatte das große Osterfest schon immer überflüssig gefunden. Reiner Ami-Blödsinn. Statt ein Sommerfest zu feiern wie alle anderen deutschstämmigen Konzerne, mit Grillzeug, Bier und Musik, musste Randow, der Schleimscheißer, wieder allen zeigen, dass er auf der Höhe der globalen Zeit war, und diese amerikanische Egg-Roll-Tradition als Osterbetriebsfamilienfest in Deutschland einführen. Die Amerikaner waren nämlich ganz wild auf Eierlaufen zu Ostern, in Amerika hieß es »Easter Egg Roll«, und als Vorbilder traten niemand Geringeres als der amerikanische Präsident und seine Frau auf. Seit 1876 wurden Kinder und Eltern für das medienwirksame Eierrollen auf die Wiese des Weißen Hauses eingeladen. Mittlerweile wurden Tausende Familien aus dem ganzen Land herbeigekarrt - weiß, schwarz, homosexuell, asiatisch, südamerikanisch, Hauptsache bunt -, um im Schatten des Weißen Hauses kameragerecht viel Spaß zu haben. Essen und Trinken bei Mr. und Mrs. President waren umsonst, es spielten Teeniebands, und überall hoppelten Statisten in weißen Osterhasenkostümen herum, die den Kindern ungefragt den Kopf streichelten. Die Amerikaner mochten bei Finanzen und Immobilien versagt haben, in der ganzen Psychobranche »Wie-motiviere-ich-meine-Mitarbeiter« waren sie weiterhin ganz vorn.
    Allerdings war schnell klar, dass man den amerikanischen Spielaufbau nicht eins zu eins übernehmen konnte. Niemand rollte in Deutschland Ostereier mit einem Kochlöffel eine markierte Bahn entlang. Eierlaufen dagegen kannte jeder. Zuerst traten die Kinder gegeneinander an und dann, als letzter Lauf, das führende Vorstandsehepaar gegen die leitenden Mitarbeiter und ihre Partner. All das fand auf dem Rasen im Innenhof der Konzernzentrale statt, der den Rest des Jahres jungfräulich dalag,
weil es sich selbst bei schönstem Wetter kein Mitarbeiter traute, dort in der Mittagspause ein paar sonnige Minuten zu genießen.
     
    Auch heute war das Wetter glücklicherweise frühlingshaft sonnig, was Toni dazu verführt hatte, ein unschuldig weißes Babydollkleid anzuziehen. Wer morgens eine halbe Million abgezockt hat, dem macht es besonders viel Spaß, sich nachmittags naiv zu kleiden.
    »Au«, schrie sie leise auf, als Georg ihr mit voller Wucht auf die Zehen trat. Zum Glück trug sie Ankle Boots. Sie mochte die Mischung aus zartem, verspielten Kleid und eher schwerem Schuhwerk. Allerdings waren die sehr hohen Absätze für ein Wettrennen im Gras kaum geeignet, aber sie hatte ja nicht damit gerechnet, antreten zu müssen. All die Jahre hatte sie mit Georg als Zuschauerin dieses absurde Rennen beobachtet und registriert, wie Beate von Randow jedes Mal kurz vorher die Pumps gegen Turnschuhe tauschte und Peter von Randow den Schlips ablegte. Gewonnen hatten die beiden trotzdem nie. Turnschuhe hatte Toni leider nicht dabei, nur diese verfluchten Stiefel mit High Heels. Aber zumindest war der Stand gut, sie konnte kaum darin umknicken. Außerdem schützte das dicke Leder Tonis Zehen vor Georgs Füßen, denn jetzt, beim nächsten Schritt, trat er ihr schon wieder vorne auf die Schuhspitze.
    »Machst du das mit Absicht?«, fragte Toni ihn halb ärgerlich, halb verwundert.
    Der Blick, den Georg ihr daraufhin zuwarf, sprach Bände. Er fühlte sich übertölpelt, war rachsüchtig. Wer 500 000 Euro an seine Exfrau in spe zahlen muss, damit sie nichts über die Affäre ihres Mannes ausplaudert und auch sonst aufhört, ihm das Leben zur Hölle zu machen, war in seinen Augen ein Loser, ganz klar. Aber was hätte er machen sollen, ohne Toni ging
es nicht. Doch jetzt, so nah an sie mit Bändern gebunden (er fühlte Toni von der Hüfte abwärts, roch ihr eigentümliches Olivenshampoo, das er früher so gemocht hatte, kam mit ihren Händen, mit ihren Armen in Berührung, die genauso ruderten wie seine, um das Gleichgewicht zu halten), jetzt konnte er seine Wut

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