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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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hatte sie theatralisch angefleht, von diesem »triefenden Glauben« abzulassen. Allein ein kultiviertes Mißtrauen, verbunden mit einer vorgeschobenen Gleichgültigkeit seien die Schlüssel zu einer erfolgreichen Ehe. »Glaub mir nie, vertrau mir nie, ich bitte dich!« Mit Ira war es anders. Sie neigte zu Aussprachen, in denen sich die psychologischen Klischees türmten: Sie beanspruchte eine »Totalität« der Gefühle, forderte andererseits ein »Lockerlassen«– und im übrigen hatte »die Arbeit an der Beziehung« möglichst »intensiv« zu sein, dann war es »okay«. Mit einer anderen Frau hätte es Viktor schon wegen der Wortwahl nicht ausgehalten. Wenn Ira aber mit ihren grünen Augen funkelte, hatte er sie begehrenswert gefunden, und es reizte ihn der Versuch, sie mit Sex zu überwältigen und zum Schweigen zu bringen.
    Aussprachen waren mit Ellen nicht zu befürchten. Als Anwältin war sie im Schweigen schon von Berufs wegen geübt, allerdings auch im Fallenstellen und unmerklichen Aushorchen. Viktors und Ellens gemeinsame sexuelle Ehe-Aktivitäten mochten unter den Durchschnitt liegen, jedenfalls wenn man den verlogenen Umfrageergebnissen glaubte, und es war anzunehmen, daß ihnen beiden das durchaus so recht war. Dennoch konnte es Ellen nicht lassen, über die schwindende Manneskraft bei Männern über Vierzig zu spekulieren und ihnen pauschal Desinteresse an der Liebe zu unterstellen. Als Viktor frisch verliebt in Susanne und die Prinzessin Aza gewesen war und aus nichts anderem als aus Sex und Eros bestand, hatte er diese Bemerkungen besonders schwer ertragen können – aber er hatte mannhaft geschwiegen – , wie er auch jetzt über seine wahren Gelüste auf die Nasenring-Tina und die Tscherkessin und über den irgendwie auch reizvollen Sexualstreß angesichts der Wiedergutmachungsnacht mit der wiederaufgetauchten Sabine Schweigen bewahren würde.
    Manchmal war es schwer für Viktor und Ellen, sich zu verständigen. Sie belogen sich nicht, sie wichen spielerisch aus. »Vielleicht sollten wir einen Tag im Jahr ausmachen, an dem wir uns die Meinung ins Gesicht sagen«, hatte Viktor einmal vorgeschlagen. »Sieh einer an«, war Ellens Antwort gewesen, »unser armer Poet wird weich.« Und dann hatte sie nadelspitz hinzufügt: »Vielleicht am Silvestertag oder am Weihnachtsabend, ja?«
    Einmal sagte Viktor im Ton eines Psychotherapie-Patienten: »Ellen ist eine so kluge und kritische Frau, manchmal wüßte ich zu gern, was sie von mir hält.« Auch dies war die Wahrheit. Im Schutz der Geselligkeit konnte man damit herauskommen. Wenn Ellen ihm dann später einmal in einem ihrer seltenen Anflüge von Verdrießlichkeit vorhielt, er interessiere sich zu wenig für sie, sei nicht zärtlich und nehme überhaupt nichts mehr ernst, erinnerte er sie an diese Bemerkung, die ein durchaus ernstzunehmender und zärtlicher »Hilferuf« gewesen sei, um ihre wechselseitige Kommunikation wieder in Gang zu bringen.
    Die Ironie machte das Leben mit Ellen angenehm. Das Problem war nur, daß Ironie nicht nur Liebe erzeugte, sondern auch Liebe verhinderte. Wenn es zur Sache ging, mußte die Ironie ausgeschlossen werden. Denn Ironie und Erotik waren keine gute Mischung. Ironie war eine Wohltat. Sie machte das Leben und vor allem das Zusammenleben leichter. Beim Sichkennenlernen und Sichnäherkommen und Sichverlieben aber spielte die Ironie kaum eine Rolle. Und diese Abwesenheit der Ironie war dann auch eine Wohltat. Die Gefühle waren noch völlig unverdreht. Ungeschliffene Naturstücke. Deswegen vielleicht die Notwendigkeit, sich immer wieder zu verlieben. Zumindest ironische Menschen brauchten womöglich diese Läuterung. Denn gerade die Liebe, die der ahnungslose Volksmund gern als ein schönes, aber auch seltsames Spiel bezeichnet, war für Viktor alles andere als ein Spiel, sondern eine ernstzunehmende Kostbarkeit. Manchmal gelang es ihm nicht, die Ironie rechtzeitig abzustreifen, wenn er sich Ellen erotisch zu nähern suchte. Dann stieß sie ihn mit den Worten zurück: »Du bist nicht echt!«

Oh, herrliches Geheimnis!

    In den nächsten Tagen hatte Viktor mit einem Literaturagenten in München etwas zu besprechen, der sich vorstellen konnte, einmal ein Buch mit Viktor Goldmann zu machen. Viktor konnte sich das nicht vorstellen. Nachdem es auf dem deutschsprachigen Buchmarkt lange als verpönt und unseriös, als Verrat an der Hochkultur und als materialistische Unsitte angesehen worden war, wenn sich Literaten von

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