Der Liebessalat
immer Rebecca und nicht die Tscherkessin, aber sie hielt zu ihm, das war nun klar.
Und dann stellte sich mit einem Mal heraus, daß Ellen Rebecca überredet hatte, sich die Kosten fürs Hotel zu sparen und im Gästezimmer zu übernachten.
Viktor erstarrte: »Das geht nicht. Die Bügelbretter. Das Chaos. Kein Mensch kann da schlafen.«
»Alles schon zur Seite geschoben und Platz gemacht«, sagte Ellen. Es war nicht klar, ob sie triumphierte, weil sie das Zimmer mit wenigen Griffen bewohnbar gemacht, oder weil sie ahnte, daß sie ihrem Mann eine orientalische Liebesnacht vereitelt hatte.
Viktor versuchte, gegen die vollendeten Tatsachen anzurennen: »Das Zimmer ist unzumutbar. Kein Asylant kann in diesem Verhau nächtigen.«
»Sei nicht so spießig, Goldmann«, sagte Rebecca untscherkessisch, »ich habe schon in ganz anderen Höhlen geschlafen.«
Viktor wußte nicht, ob sie ihm mit dieser Bemerkung in den Rücken fiel oder ob es ihre Taktik war, um Unverdächtigkeit auszustrahlen. Sie machten die vierte Flasche Wein auf. Ellen, die an Arbeitstagen sonst früh zu Bett ging, schien munter wie nie. Nachts um zwei ging Barbara und verabschiedete sich von Viktor mit einem Blick, als wüßte sie ganz genau, daß Viktor um eine Liebesnacht mit Rebecca betrogen worden sei und als freue sie als beste Freundin Ellens sich darüber außerordentlich.
Viktor schlich ins Bügelbrettzimmer, das tatsächlich wie ein Gästezimmer aussah. Das Bett war schon hergerichtet. Ohne Komik war es nicht, daß hier eine Liebste schlafen sollte, zwischen Hunderten von Zeugnissen realer und halbrealer, fiktiver und halbfiktiver anderer Liebschaften, zwischen Briefkopien, die auf dem Weg in Romane waren, und Romanpassagen, die sich in Briefe verwandelt hatten. Er legte den Durchschlag seines jüngsten, erst wenige Stunden alten Briefs an das süße Fräulein Strindberg in den vorgesehenen Karton. Dann schob er der Tscherkessin einen Zettel unter die Bettdecke: »So geht es nicht! Hast du vergessen, daß ich dein Sklave nicht bin. Ich will mir dir reden. Ich komme um vier.« Dann, scheinbar vom Klo kommend, ging er ins Wohnzimmer zurück.
Ohne Barbaras übermütige Witze fingen die Frauen an, müde zu werden. »Ich möchte jetzt schlafen, ich muß morgen weiterfahren«, sagte Rebecca. Das war gut. Sie war gewieft. Sie würde morgen ein Hotel nehmen und scheinbar nicht mehr in Zürich sein, und Viktor würde pro forma bei irgendwelchen Verlagsleuten sein und dort hängenbleiben – und in Wirklichkeit würden er und Rebecca eine tscherkessische Nachholnacht verbringen, die sie für die heute erzwungene Enthaltsamkeit entschädigen würde. »Ich kann dich morgen früh im Auto zum Bahnhof mitnehmen, Rebecca«, rief Ellen ins Gästezimmer, und Viktor hätte zu gern gewußt, ob das Gastfreundlichkeit war oder ein weiterer Versuch, ihm Rebecca wegzunehmen.
Im Bett sagte Ellen: »Mein Gott, sieht diese Rebecca gut aus – wie muß einem da als Mann zumute werden.«
Viktor stellte sich schlafend.
»Ich verstehe nicht, wie du nach so einem Abend so schnell einschlafen kannst«, sagte Ellen und wiederholte ihre Frage: »Wie ist einem als Mann zumute, wenn man so eine Frau sieht?«
»Wie schon«, sagte Viktor.
»Bitte«, sagte Ellen, »geh doch rüber, fick sie.«
Viktor schwieg.
»Solche Frauen machen dir Angst.« Ellen stellte es befriedigt fest.
Viktor beherrschte sich und stöhnte. Ellen sagte, stöhnende Männer seien das allerletzte.
»Dann halte ich eben die Luft an«, sagte Viktor.
»Bei solchen Frauen hast du keine Chance«, sagte Ellen – eine Spur zu selbstzufrieden, fand Viktor, das konnte er nicht hinnehmen.
»Ich bitte dich«, sagte er und erinnerte sie daran, daß ihn Erstfrau Ella seinerzeit mit genau so einer Bemerkung in die Arme ihrer Freundin und seiner späteren Zweitfrau Ira getrieben hätte.
»Oh, du drohst«, sagte Ellen, »probier es doch aus, geh doch rüber.«
Viktor machte das Licht an und sah auf die Uhr. Es war halb drei. »Um vier«, sagte Viktor, »um vier habe ich einen Termin bei ihr.«
»Du hast Humor«, sagte Ellen.
Viktor lag wach. Die Lust war weg, darunter litt er. Um vier Uhr schlich er ins Gästezimmer.
Es war nicht leicht, im Dunkeln keines der Bügelbretter umzustoßen. Die Tscherkessin schnarchte leise. Sie erschrak, als er sie weckte. Den Zettel hatte sie nicht gelesen. »Goldmaan, ‘ör mal«, sagte sie. Das könne er nicht machen, mitten in der Nacht in ihr Zimmer kommen. »Es ist meine
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