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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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naheliegend. Zufall aber, daß er überhaupt Autor war, blanker Zufall, daß er nicht als promoviertes Arschloch im Kulturamt einer mittelgroßen Kreisstadt herumhing, junge Dichter zu Lesungen einladen mußte und aus lauter Verzweiflung über deren primadonnenhafte Forderungen den Doktortitel heraushängen ließ. Oder: In einem Katholikenkaff wie Paderborn jungen Türken Deutsch beibringen – reiner Zufall, daß es nicht so gekommen war, weil zufällig irgendwann irgendwer fand, das sei lesbar, was Viktor Goldmann da zu Papier gebracht hatte. Falls er in Paderborn gelandet wäre und es in dieser finsteren Stadt überhaupt Türken gab, wäre es allerdings kein Zufall sondern absehbar gewesen, daß er sich in kürzester Zeit in eine schöne Türkin verliebt hätte, um wenig später von deren Bruder oder Vater oder Freund oder Mann oder von allen zusammen niedergestochen zu werden. Was für ein furchtbares Ende, das ihm zufällig erspart geblieben war: keine angenehme Vorstellung, mit seinem ohnehin schon unschönen Tod auch noch eine Welle von Ausländerfeindlichkeit auszulösen: »Gestern erlag im erzbischöflichen Krankenhaus der Leiter des Kurses ‘Deutsch für Ausländer’ der katholischen Mission, Dr. Viktor Goldmann, den schweren inneren Verletzungen, die ihm tags zuvor (wir berichteten) bei einem Überfall von türkischen Asylbewerbern zugefügt worden waren. Die Täter wurden gefaßt. Der Trauergottesdienst, zu dem der Bundesinnenminister erwartet wird, findet am Samstag statt. Anschließend hat der Bund Christliches Deutschland zu einer Demonstration gegen die zunehmende Gewalttätigkeit von Ausländern aufgerufen.«
    Wie leicht hätte das passieren können, wenn Viktor nicht Schriftsteller geworden wäre, weil sich ein Verleger vielleicht dachte: »Okay, den drucken wir, Goldmann, Goldmann – klingt nicht schlecht, klingt jüdisch, das mag der deutsche Markt, zumindest das kaufkräftige reumütige Bürgertum, es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn sich dieser Erstling nicht verkaufen ließe, und wenn sich nichts bewegt, nutze ich meine Drähte zum Feuilleton und lanciere den Verdacht, der deutsche Buchhandel unterdrücke diesen Titel und sei immer noch antisemitisch.«
    Egal was Viktors Verleger seinerzeit gedacht hatte, jetzt lief das Geschäft als Autor. Es war zwar immer noch sehr gut möglich, daß er sich in eine Türkin verliebte und von deren Rächern erstochen wurde und daß dann sein Tod von rechten Idioten instrumentalisiert werden würde, aber das liberale Feuilleton, dessen Liebling er zwar nicht war, würde ihm doch den Gefallen tun und in den Nachrufen schreiben: »Diesen Tort hat er nicht verdient.«
    Aza war keine Türkin. Sie war auch keine Prinzessin. Sie kam aus Pakistan und mußte auch nicht Deutsch lernen. Im Gegenteil. Sie sprach sieben Sprachen fließend. Und dann so aussehen! Ein Beweis, daß es keinen Gott geben konnte. Selbst der grausamste Gott würde nicht so ungerecht sein, die Existenz einer so bezaubernden und auch noch so sprachbegabten Frau zuzulassen. Welche Gemeinheit all den anderen weniger bevorteilten Frauen gegenüber. Allein Azas Haut, allein ihre Haare hätten ausgereicht, um sie begehrenswert zu machen. Wäre sie dumm wie die Nacht und ein übler provinzieller Dialekt wäre das einzige, was aus ihrem Mund käme – so wäre sie doch noch hinreißend genug. Ihre Wangenpartie, allein ihre Lippen würden ihren Liebhaber für die häßlichsten Charakterzüge und das dumpfste Denken entschädigen. Statt dessen ein durch und durch sympathisches und intelligentes Geschöpf, mild und bescheiden, verlegen fast vor lauter Überlegenheit. Riesige Augen, die sanft um Entschuldigung baten, so groß und so schön zu sein.
    Viktor, der schon auf sehr viel schwächere weibliche Reize heftig reagierte, hatte aus der Begegnung mit der Frau, die er Prinzessin Aza nannte, und aus der Geschichte, die sich aus dieser Begegnung entwickelte, bisher kein literarisches Kapital geschlagen, und er hatte dies auch nicht vor. So sehr diese Frau ihn als Mann und Minnesänger auch fasziniert hatte, so wenig Antrieb hatte er, den weiteren, mit einem ungewöhnlichen Zufall gespickten Verlauf seiner Geschichte mit der Prinzessin zu verwerten. Vielleicht lag es an diesem Zufall, der sich bald nach der Begegnung ereignete, den er zwar für sein Leben als ein Geschenk ansah und der ihn sehr glücklich machte, der ihm aber untauglich erschien, um der Handlung eines Romans oder auch nur einer

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