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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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angebracht der Einladung zu dem Fest eines Verlags zu folgen, der ein Jubiläum oder einen Bestseller oder beides zugleich zu feiern hatte. Nachdem man eine Reihe von erträglichen Reden über sich hatte ergehen lassen, gab es die üblichen Happen zu essen, und es gab zu trinken. Weil sich Viktor selten in solchem Gewühl und Geschnatter bewegte, tat er es gern. Er kannte genau die richtige Menge von Personen, um sich gut zu unterhalten und sich nie verloren vorzukommen, es gab aber nicht so viele Bekannte wie in Frankfurt, wo er unentwegt mit den immer selben Literaturleuten zusammengetroffen war, mit denen man nichts Neues mehr zu bereden hatte und folglich nur noch trinken konnte. Es gab die üblichen Gespräche mit Redakteuren vom Feuilleton, von denen er nie wußte, was sie von seinen Büchern hielten, egal ob und was sie über sie schrieben.
    Ein Schauspieler, den er nicht kannte, hatte mit eleganter Zurückhaltung einen hochmodernen Text eines alten Wiener Feuilletonisten vorgetragen, Viktor lobte seinen Vortrag und wurde reichlich belohnt, denn als der Schauspieler erfuhr, daß Viktor der Autor Viktor Goldmann war, behauptete er, zwei Bücher von ihm gelesen zu haben, die ihm außerordentlich gefallen hätten, und auch wenn Viktor ihm nicht glaubte, freute er sich, denn immerhin hatte der Schauspieler die zwei Buchtitel zwar falsch, aber doch noch so weit im Gedächtnis, daß man sie tatsächlich zwei Büchern von Viktor zuordnen konnte. Der Inhalt der Bücher, die ihm so gut gefallen hatten, war ihm entfallen.
    Die schöne Frau war Viktor schon während der Reden aufgefallen, nun da sich das Gedränge langsam lichtete, weil einige Gäste gingen, sah er sie wieder, im Gespräch mit einer anderen Frau. Er löste sich von dem Schauspieler, steuerte auf die beiden Frauen zu und fragte mit einem Blick auf ihre leeren Gläser, ob er ihnen frischen Wein bringen dürfe. »Sie sind nett!« sagte die Schöne, als er, die frischen Gläser balancierend zurückkam. Sie sind nett – schon lange hatten drei so simple Worte Viktor nicht mehr so erwärmt. Die andere Frau ging, kaum hatte sich Viktor dazugestellt.
    Wenn Viktor im Nachhinein an seine Geschichte mit der Prinzessin Aza dachte, dann war die erste halbe Stunde vielleicht die glücklichste. Wie diese andere Frau sofort verschwand! Das war wie ein Zeichen. Sofort entstand eine Intimität. Wie früher. Man war hinter einem Mädchen her, und es war noch eine Freundin dabei, und manche Freundin ging und ging nicht, weil Neugier oder Mißgunst oder falsche Solidarität stärker waren als das Taktgefühl. Erinnerungen an solche Situationen kamen hoch und rührten Viktor.
    Bei einem Empfang wie diesem waren fast alle Gäste flüchtig, ließen ihre Augen wandern und nickten während ihrer Smalltalks ständig anderen zu. Sie aber hatte Viktor frontal ihr Gesicht mit den großen blanken Augen zugewendet, und ihr Blick zuckte kein Mal weg von ihm. »Sie sind sehr nett.« Sie steigerte ihr Lob, als er ihr eines der letzten Sandwiches organisierte. »Wie Sie sehen, bin ich hungrig«, sagte sie. Ihre Wangen waren fast hohl. »Es steht Ihnen«, sagte Viktor. »Fast alle jungen hübschen Frauen haben Eßstörungen, da ist es eine Erholung, sie futtern zu sehen.« Sie lachte erstaunlich laut und ausgelassen und fragte dann: »Wo komme ich her?« Offenbar wurde sie oft gefragt und wollte dem zuvorkommen.
    »Sie sind Etruskerin«, sagte Viktor. Die Antwort gefiel ihr, das hatte ihr noch keiner gesagt. »Sie dürfen zehn Mal raten«, sagte sie. »Schwedin«, sagte Viktor sofort. Sie lachte schallend, hielt sich die Hand vor den Mund, griff dann in ihr schwarzes Haar, funkelte mit ihren dunklen Augen und zupfte Viktor am Arm: »Weiter.« Er genoß die Gelegenheit, sie ungeniert taxieren zu können: »Ägypten?« Sie schüttelte den Kopf. Viktor stampfte mit dem Absatz aufs Parkett und machte mit den Fingern Kastagnettenbewegungen: »Andalusien?« Auch nicht, obwohl sie drei Jahre in Sevilla gelebt habe. Spanisch sei ihre Lieblingssprache. »Sprechen Sie Spanisch?«
    »Para mí la vida tiene forma de mujer«, sagte Viktor wie aus der Pistole geschossen. Es war einer von drei, vier Sätzen, die er auf Spanisch herunterbellen konnte, weil er ihn einmal einem Romanheld in den Mund gelegt hatte, der damit eine Frau beeindrucken will. Der Satz stammte aus einen argentinischen Tango und hieß: »Für mich hat das Leben die Form einer Frau.« Viktor hatte die Stelle gelegentlich bei Lesungen

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