Der Liebessalat
Freiheiten hast, nimmst du Schaden an deiner Seele. Und das Folgegebot: Du sollst aber fremde Liebe machen, so viel du kannst, um nicht zu verarmen an Leib und Seele. Und darauf wiederum folgte: Du sollst aber nur fremde Liebe machen mit Menschen, die auch fest gebunden sind, denn sonst wird es ein großes Heulen und Zähneklappern geben.
Das schrieb er ihr so nicht, denn sie würde es nur lustig finden, obwohl es nichts als die reine Wahrheit und das Ergebnis vieler schmerzhafter Erfahrungen und ernster Auseinandersetzungen war. Statt dessen schrieb Viktor: »Wie wär’s, wenn ich einen Mann für dich suche. Natürlich nicht selbstlos: Wenn ich ihn finde, den würdigen, richtigen, idealen Mann, dann möchte ich eine Belohnung. Ich möchte, daß du dann drei Mal im Jahr drei Tage für mich übrig hast.«
Viktor war ganz berauscht von der Märchenhaftigkeit seiner Vorstellung. Azas Antwort zwei Stunden später war der erste große Schlag: Er hatte fest damit gerechnet, daß sie dieses Modell spielerisch übernehmen würde, daß sie sich schon wenige Stunden später detailliert ausmalen würden, wo sie diese drei Mal drei Tage im Jahr verbringen und was genau sie treiben würden. Natürlich würde Viktor gentlemanlike und großzügig immer zwei getrennte Hotelzimmer buchen, und dann würden sie natürlich doch immer in nur einem nächtigen.
Zu Viktors Schrecken aber schrieb die schöne Aza: Nein! Ehe, Liebe, Sex, das seien ernste Sachen für sie. Auf die Abmachung gehe sie nicht ein! Jetzt kam er sich wirklich vor wie ein Sturm-und-Drang-Verlierer der mit seinen Avancen an der keuschen Herrin abgeprallt war. Er hatte nur ein wenig herumphantasiert, und schon bremste sie. Andererseits machten ihm ihre gestrengen Zeilen klar, daß hinter seinem Vorschlag, hinter dieser kleinen witzigen Vision von einem Drei-Mal-drei-Tage-Glück durchaus der Wunsch nach Verwirklichung stand. Wie oft hatte er Frauen geschrieben, die sich brieflich allerlei bieten ließen – und sich krampfartig verschlossen, wenn er sacht nachfragte, wie es mit der Umsetzung in die Wirklichkeit bestellt sei. Er beschloß daher, Azas eigenartig humorlose und völlig ironieresistente Reaktion positiv zu werten – als Beweis für die Ernsthaftigkeit seiner eigenen Wünsche.
Andererseits wollte Viktor Azas strengen Ernst nicht hinnehmen und beschwor sie: »Ein Jahr hat normalerweise 365 Tage. 3 mal 3 ist 9. Die 365 Jahrestage minus 9 sind 356. Ich finde, wenn dein zukünftiger idealer Gatte dich 356 Tage hat, ist das genug. Ich würde mich mit 9 Tagen zufriedengeben. 3 mal 3. Jedesmal freue ich mich 6 Wochen vorher, so geht die Zeit angenehm herum. Im übrigen ist doch klar, daß du entscheiden kannst, was in diesen 3 mal 3 Tagen geschieht. Ich werde dich nicht bedrängen.«
Viktor hatte gehofft, dieses Zahlenspiel würde sie erheitern und ihr ein Mitspielen ermöglichen. Eine Frau, die so aussah wie Aza, konnte eigentlich nur eine Antwort auf dieses Angebot geben: »Sire! Seid Ihr des Teufels! 9 Tage im Jahr genügen Euch! Bedeute ich Euch nicht mehr? 30 gemeinsame Tage sind das mindeste, was ich erwarte! Erhöht Euer Angebot, Sire, oder fahrt zur Hölle! Im übrigen möchte ich durchaus von Ihnen bedrängt werden, denn in Eure Schranken kann ich Euch durchaus selbst verweisen!«
Statt dieser Verwünschung beharrte Aza noch einmal darauf, daß die Abmachung für sie nicht in Frage komme, in einem Ton, als ob sie das Kreditangebot eines Bankangestellten ablehne. Gleichzeitig bat sie, Viktor möge Vorschläge für einen Tanz- und einen Kinoabend machen. Im übrigen sei sie durchaus interessiert, wenn er ihr einen Heiratskandidaten vorstelle. Sie schrieb ein paar Eigenschaften auf, die der Zukünftige haben sollte, Wärme, Geld, Zuverlässigkeit und ähnliches – und Viktor preßte verzweifelt die Lippen zusammen, als er das las.
Fortan nannte er sie in seinen Briefen »Prinzessin Aza«– und sein nächster Brief an sie enthielt das »Märchen von der Prinzessin Aza«, auf das sie mit keiner Silbe reagierte. Dieses Märchen löste Viktor aus seiner Korrespondenz heraus, verkaufte es einer Frauenzeitschrift und trug es bei Lesungen häufig als Zugabe vor, weil ihn die Reaktion des Publikums interessierte. In dem Märchen versucht ein armer Poet das Herz der schönen Prinzessin Aza mit den großen schwarzen Augen zu gewinnen.
»Du bist sehr unterhaltsam, und ich mag dich gern«, sagte die Prinzessin zu dem armen Poeten, der sie so sehr verehrte,
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