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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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zwischen Zunge und Gaumen in die Enge getrieben, wie das aussah, wenn er von ihren Lippen fest umschlossen war – und rasch begriff er, daß in diesem für ihn vollkommen neuen Spiel seine Aufgabe die Beschreibung war. Ihr nur durch lustvolles Seufzen unterbrochenes Schweigen bedeutete, daß sie das in Gedanken ausführte oder zuließ, was er beschrieb. »Kann ich dich später anrufen?« fragte er. »Was hast du gemacht?« fragte sie zurück. Viktor verstand nicht. Sie meinte, was er den heutigen Tag gemacht habe. »Bibliothek«, sagte er. »Da gibt es schöne junge Studentinnen«, sagte sie sofort. »Ja«, sagte er und wunderte sich nicht mehr. Sie war keine Hellseherin. Sie dachte wie er, das war alles. Es war irgendwie inzestuös. Das erste Mal Sex am Telefon war schon aufregend genug, und dann noch mit seinem weiblichen Ebenbild. »Du machst mich hart, heiß und heftig«, sagte er und genoß es, sich auch für diese billige Alliteration nicht zu genieren. »Rufst du an?« fragte sie, unwiderstehlich lauernd wieder. »Ja«, sagte er – und durch dieses »Ja« fühlte er sich mehr und vor allem lustvoller gebunden als durch die »Jas«, die er einst auf irgendwelchen Standesämtern bei seinen Eheschließungen hatte aussprechen müssen. »Willst du es denn?« fragte er. »Ja«, sagte sie, feierlich fast, »ich will. Wir müssen uns sehen. Bald.«
    Viktor ging zurück zu Ellen ins Wohnzimmer. Die Nachrichten endeten gerade mit dem Wetter. »Interessiert dich das wirklich?« fragte Viktor. »Penelope macht eine Bergtour«, sagte Ellen. Süß. Für ihre Penelope hoffte Ellen auf ein sonniges Wochenende. Penelope hatte ihre Schülerinnen Ellen und Barbara aufgefordert, mitzugehen, aber die Tour war ihnen zu extrem. Schon sah sich Viktor mit Penelope durch das sonnige Gebirge gehen. »Ich hatte dich neulich tatsächlich wegen einer Tscherkessin und wegen eines Strindberg-Fräuleins ein paar Tage lang völlig vergessen«, hörte er sich, in dreitausend Metern Höhe auf einem warmen Felsen sitzend, leise und verlegen zu Penelope sagen. »Viktor, das macht doch nichts«, war die märchenhafte Antwort aus ihrem Mund, den er noch immer nicht kannte. Nicht einmal, ob ihre Haare kurz oder lang, hell oder dunkel waren, wußte er, und er wollte es auch nicht wissen. Penelope war die Verkörperung der Frau, die auf ihn wartete, undefinierbar und unbeschreiblich.
    »Wer war das?« fragte Ellen. Sie meinte, wer die Unverschämtheit besessen hatte, abends um acht zur Nachrichtenzeit anzurufen. »Eine korsische Jüdin, die wie eine Tscherkessin aussieht«, sagte Viktor. Flucht nach vorn. Ellen pfiff durch die Zähne, und sagte: »Dann will ich mal nichts sagen. Korsische Jüdinnen dürfen natürlich jederzeit anrufen. Auch abends um acht. Wir sind ja keine Antisemiten.« Viktor benutzte die Gelegenheit zu einem nichtssagenden Teilgeständnis: »Sie heißt Rebecca, wohnt in Hannover und hat hier in Zürich Verwandte, kann sein, daß sie sich demnächst mal hier meldet. Sei bitte freundlich zu ihr. Auch wenn sie wieder um acht Uhr anrufen sollte.«
    »Alles klar, Chef«, sagte Ellen, »sonst noch irgend etwas zu beachten?«
    »Es gibt noch ein Fräulein Strindberg, mit dem ich zu tun habe«, sagte Viktor, »ferner eine Schweizerin mit einem Nasenring, die sich Tina oder Bettina nennt, aber es ist unwahrscheinlich, daß eine von beiden anruft, und kaum abends um acht.«
    Ellen mußte noch etwas tun. Durch ihr zweitägiges Kopenhagener Blaumachen war Arbeit liegengeblieben. Sie setzte sich erst einmal einen Kaffee auf. »Für mich bitte auch«, rief Viktor in die Küche. Ihr Job machte Ellen zur Zeit keinen Spaß. Die Andeutungen häuften sich, daß sie »alles hinschmeißen« werde, wenn es so weiter ginge, und daß Viktor dann allein das Geld herbeischaffen müßte. Es wurde ihm mulmig, weniger, weil er keine Lust auf das strapaziösere Leben als Alleinverdiener hatte, sondern bei der Vorstellung einer Ehefrau Ellen, die als Hausfrau ständig zugegen wäre und deren einzige Verpflichtung darin bestünde, mit ihrer Freundin Barbara schwimmen zu gehen, die Muskeln ihres Körper nach den Künsten der Osteopathie lokkern und das Italienisch mit Penelopes Hilfe perfektionieren zu lassen. Sie würde wie all diese Frauen aus dem Einkaufen eine Wissenschaft machen und folgerichtig immer mehr Wert auf gedeckte Tischdecken und Servietten und nett angerichtete Mahlzeiten legen. Eines Tages würde sie Kerzen auf den Tisch stellen – spätestens

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