Der Liebesschwur
werden sofort mit den Dienstboten sprechen. Sie können sich auf uns verlassen.«
Auf wen sonst konnte er sich verlassen?
Diese Frage ging Vane nicht aus dem Kopf, als er Mrs. Hendersons Wohnzimmer verließ und in die Eingangshalle ging. In seiner Vorstellung waren Patience, Minnie und Timms – und auch Gerrard – immer über jeden Verdacht erhaben gewesen. Es lag eine Art Offenheit, Ehrlichkeit sowohl in Patience als auch in Gerrard, die Vane an Minnie selbst erinnerte, und er wusste tief in seiner Seele, dass weder diese beiden noch Timms in dieser Sache verdächtig waren.
Das ließ eine ganze Menge anderer Leute übrig – andere, bei denen er weniger sicher war.
Zuerst ging er in die Bibliothek. Die Tür öffnete sich geräuschlos und erlaubte ihm einen Blick in den langen Raum, der vom Boden bis zur Decke mit Bücherregalen voll stand. Tiefe Fenster gaben den Regalen auf der anderen Seite Licht. Durch sie hatte man einen hübschen Blick auf die Terrasse; eines der Fenster stand im Augenblick offen und ließ einen leichten Wind in den Raum, der von der Herbstsonne erwärmt wurde.
Zwei Schreibtische standen einander gegenüber. Der größere, beeindruckendere Schreibtisch, der näher an der Tür stand, war beladen mit dicken Büchern, der Rest der Oberfläche war bedeckt mit zerknülltem Papier. Der gut gepolsterte Stuhl hinter dem Schreibtisch war leer. Der Schreibtisch auf der anderen Seite des Raumes war aufgeräumt. Nur ein einziges Buch lag darauf, ein schwerer, ledergebundener Band mit goldverzierten Seiten, der geöffnet war und in dem Edgar las, der hinter dem Schreibtisch saß. Er hatte den Kopf gesenkt, die Stirn gerunzelt und ließ nicht erkennen, dass er Vane gehört hatte.
Vane ging über den mit Teppichen belegten Fußboden. Er war bereits neben dem Ohrensessel angekommen, der, mit dem Rücken zur Tür, vor dem Kamin stand, als er bemerkte, dass jemand darin saß. Er blieb stehen.
Edith Swithins hatte es sich in dem Sessel gemütlich gemacht und war eifrig damit beschäftigt, Spitzen herzustellen. Ihr Blick richtete sich auf den Faden, mit dem sie arbeitete. Auch sie zeigte keine Anzeichen dafür, dass sie ihn gehört hatte. Vane nahm an, dass sie schlecht hörte, und dies damit verbarg, dass sie den Menschen von den Lippen las.
Er trat fester auf und kam näher. Sie fühlte seine Anwesenheit erst, als er ganz nahe neben ihr stand, zuckte zusammen und sah auf.
Vane lächelte sie beruhigend an. »Ich entschuldige mich dafür, dass ich Sie störe. Verbringen Sie oft den Vormittag hier?«
Edith hatte ihn erkannt und lächelte freundlich. »Ich bin beinahe jeden Vormittag hier – ich komme sofort nach meinem Frühstück nach unten und sitze schon hier, ehe die Gentlemen kommen. Es ist so ruhig hier und« – sie deutete mit dem Kopf zum Kamin – »warm«.
Beim Klang der Stimmen hob Edgar den Kopf, doch schon nach einem kurzen Blick, las er weiter. Vane lächelte Edith an. »Wissen Sie, wo Colby ist?«
Edith blinzelte. »Whitticombe?« Sie sah um den Ohrensessel herum. »Gütiger Himmel – stellen Sie sich das nur vor! Ich habe geglaubt, er sei die ganze Zeit hier.« Sie lächelte Vane vertrauensvoll an. »Ich habe mich so hierher gesetzt, damit ich ihn nicht die ganze Zeit ansehen muss. Er ist ein sehr« – sie schürzte die Lippen – » kalter Mann, finden Sie nicht auch?« Sie schüttelte den Kopf, dann strich sie die Spitze glatt, an der sie arbeitete. »Ganz und gar nicht die Art von Gentleman, mit der man sich länger beschäftigen sollte.«
Vanes flüchtiges Lächeln war ernst gemeint. Edith widmete sich wieder ihrer Arbeit. Vane ging durch den Raum.
Edgar blickte auf, als er näher kam, und lächelte strahlend. »Ich weiß auch nicht, wo Whitticombe ist.«
Edgars Gehör war also vollkommen in Ordnung. Vane blieb neben dem Schreibtisch stehen.
Edgar nahm sein Monokel ab, putzte es und starrte dann auf den Schreibtisch seines Erzrivalen. »Ich muss gestehen, ich schenke Whitticombe nicht sehr viel Aufmerksamkeit. Genau wie Edith habe auch ich geglaubt, er sei hier – hinter seinem Schreibtisch.« Er setzte das Monokel wieder ein und betrachtete Vane. »Aber so weit kann ich gar nicht sehen, wenn ich das hier auf der Nase habe.«
Vane zog die Augenbrauen hoch. »Sie und Edith, Ihnen beiden ist es gelungen, Whitticombe auf Abstand zu halten.«
Edgar grinste ihn an. »Wollten Sie etwas aus der Bibliothek haben? Ich bin sicher, dass ich Ihnen helfen kann.«
»Nein, nein.«
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