Der Liebesschwur
Haushaltes widmete.
Minnie und Timms waren gekommen, um ihr Gesellschaft zu leisten, Timms war damit beschäftigt gewesen, Fransen zu knüpfen, während Minnie ihr dabei zusah und ihr half, wenn Hilfe nötig war. Sie waren alle daran gewöhnt, Stunden mit ruhiger Arbeit zu verbringen, keine von ihnen sah einen Grund, die Ruhe mit leerem Geplauder zu füllen.
Und das war auch besser so. Patience' Gedanken waren vollauf beschäftigt mit anderen Dingen – sie dachte darüber nach, was geschehen war, als Vane sie zum ersten Mal in dieses Zimmer getragen hatte. Mit all den Sorgen um Gerrard und wegen der Vorwürfe, die ihm gemacht wurden, hatte es bis zum gestrigen Abend gedauert, ehe sie in der Lage gewesen war, sich dem zu stellen, was geschehen war.
Und seit diesem Zeitpunkt hatte sie kaum an etwas anderes denken können.
Sie sollte eigentlich entsetzt sein oder zumindest schockiert. Doch wann immer sie sich all das, was geschehen war, wieder ins Gedächtnis rief, erfüllte sie ein Gefühl des süßen Glücks, ihre Haut prickelte, und ihre Brüste wurden warm. Ihr »Schock« war erregend, aufregend, eine verlockende Reaktion – und nicht Abscheu. Sie sollte sich schuldig fühlen, doch jegliches Schuldgefühl wurde überdeckt von einem Zwang, zu wissen und zu erfahren, von einer eindringlichen Erinnerung daran, wie sehr sie diese Erfahrung genossen hatte.
Mit fest zusammengepressten Lippen machte sie den nächsten Stich. Neugier – das war ihr Fluch, das Kreuz, das sie zu tragen hatte. Sie wusste das. Leider unterdrückte das Wissen darum diesen Impuls nicht. Diesmal hatte die Neugier sie dazu getrieben, mit dem Wolf ein Tänzchen zu wagen – ein gefährliches Unterfangen. In den letzten beiden Tagen hatte sie ihn beobachtet, hatte darauf gewartet, dass er zuschlagen würde, wovon sie überzeugt war. Doch er hatte sich benommen wie ein Lamm – ein lächerlich starkes, unglaublich arrogantes, ein meisterhaftes Lamm, mit einer harmlosen Unschuld, die wie ein Heiligenschein um seine glänzenden Locken lag.
Mit zusammengekniffenen Augen blickte Patience auf ihre Arbeit und unterdrückte ein unwilliges Stöhnen. Er spielte ein Spiel mit ihr. Leider hatte sie, aus Mangel an Erfahrung, keine Ahnung, was für ein Spiel das war.
»Eigentlich beunruhigt mich dieser Dieb«, meinte Minnie und lehnte sich in ihrem Sessel zurück, während Timms den Schal ausschüttelte, an dem sie gerade arbeitete. »Vane hat vielleicht das Gespenst vertrieben, aber der Dieb scheint aus härterem Material gemacht zu sein.«
Patience warf Timms einen Blick zu. »Dein Armband ist noch immer nicht wieder aufgetaucht?«
Timms verzog das Gesicht. »Ada hat mein ganzes Zimmer auf den Kopf gestellt und auch Minnies Zimmer. Masters und die Zofen haben überall gesucht.« Sie seufzte. »Das Armband ist verschwunden.«
»Du hast gesagt, es sei aus Silber?«
Timms nickte. »Aber ich hätte nicht gedacht, dass es einen großen Wert besitzt. Es war mit Weinlaub verziert – du kennst doch diese Art von Arbeiten.« Noch einmal seufzte sie. »Es hat meiner Mutter gehört, und ich bin eigentlich recht« – sie blickte nach unten und beschäftigte sich mit den Fransen, die sie gerade geknüpft hatte – » besorgt darüber, dass ich es verloren habe.«
Patience runzelte abwesend die Stirn und machte den nächsten Stich.
Minnie seufzte vernehmlich. »Und jetzt ist Agatha etwas Ähnliches passiert.«
Patience blickte auf, Timms auch. »Was?«
»Sie ist heute Morgen bei mir gewesen.« Minnie machte ein besorgtes Gesicht. »Sie war ziemlich aufgeregt. Die arme Frau – nach allem, was sie hat ertragen müssen, hätte ich mir gewünscht, nicht ausgerechnet ihr würde so etwas zustoßen.«
»Was denn?«, wollte Patience wissen.
»Ihre Ohrringe.« Mit grimmigem Gesicht schüttelte Minnie den Kopf. »Das Letzte, was der Armen noch geblieben ist. Ovale Tropfen aus Granat, eingerahmt von weißen Saphiren. Du musst sie gesehen haben, als sie sie getragen hat.«
»Wann hat sie denn die Ohrringe das letzte Mal gesehen?«, fragte Patience, die sich sehr gut an die Ohrringe erinnerte. Sie waren recht hübsch, konnten aber nicht sehr wertvoll sein.
»Sie hat sie vor zwei Tagen zum Abendessen getragen«, meldete sich Timms.
»In der Tat.« Minnie nickte. »Das war auch das letzte Mal, dass sie die Ohrringe gesehen hat – als sie sie an diesem Abend auszog und in die Schachtel gelegt hat, die auf ihrem Nachttisch stand. Als sie die Ohrringe gestern Abend
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