Der Liebesschwur
gerade gebessert – als würden ihre Gefühle, die in diesem einen, eindringlichen, unerfüllten Augenblick in dem Garten geweckt worden waren, noch immer heiß und unbefriedigt in ihr brennen. Ihr Knie war noch etwas schwach, doch es schmerzte nicht mehr. Sie konnte wieder frei gehen, wenn auch noch nicht sehr weit.
Sie war bis zu den Büschen gewandert, um einige der bunten Blätter für einen Strauß für das Musikzimmer zu pflücken.
Patience nahm den vollen Korb und stützte ihn auf ihrer Hüfte ab. Sie winkte Myst zu, dann ging sie über den mit Gras bewachsenen Weg zum Haus.
Das Leben im Haus, das für einen Augenblick durch Vanes Ankunft und durch ihren Unfall unterbrochen worden war, war wieder zur normalen Routine zurückgekehrt. Der einzige Haken in dem Tagesablauf war Vanes Anwesenheit. Er war irgendwo – aber sie hatte keine Ahnung, wo genau er war.
Patience trat zwischen den Büschen hervor und blickte über die Wiese, die sich bis zu den Ruinen erstreckte. Der General kam vom Fluss; er ging schnell und schwang dabei seinen Spazierstock. In den Ruinen saß Gerrard auf einem Stein, seine Staffelei stand vor ihm. Patience betrachtete die Steine und die Torbögen in der Nähe, dann glitt ihr Blick über die Ruinen und die Wiese.
Erst dann begriff sie, was sie tat.
Sie ging zur Seitentür. Edgar und Whitticombe würden in der Bibliothek sein – nicht einmal der Sonnenschein konnte sie aus dem Haus locken. Edmonds Muse war sehr fordernd. Er nahm kaum noch an den Mahlzeiten teil, und selbst dabei wirkte er abwesend. Henry war natürlich so müßig wie immer. Er hatte jedoch eine Vorliebe für Billard entwickelt, und man sah ihn öfter dabei, wie er gewisse Stöße übte.
Patience öffnete die Seitentür und wartete, bis Myst mit zierlichen Schritten das Haus betrat, dann folgte sie ihr und schloss die Tür hinter sich. Myst führte sie den Flur entlang. Patience rückte ihren Korb zurecht, als sie Stimmen im hinteren Wohnzimmer hörte. Angela jammerte, und Mrs. Chadwick antwortete ihr geduldig. Patience verzog das Gesicht und ging weiter. Angela war in der Stadt groß geworden und war an das Landleben mit seinen ruhigen Beschäftigungen und den Jahreszeiten nicht gewöhnt. Vanes Ankunft hatte sie in ein typisches Mädchen mit strahlenden Augen verwandelt. Doch leider war sie dieses Bild mittlerweile leid geworden und nahm wieder ihre normale, nachlässige Haltung ein.
Von den anderen ungestört, fuhr Edith mit ihrer Herstellung von Spitze fort. Und Alice war in letzter Zeit so still, dass es nicht verwunderlich war, wenn man ihre Existenz vollkommen vergaß.
In der Eingangshalle wandte sich Patience zu einem schmalen Flur hin und erreichte das Gartenzimmer. Sie stellte den Korb auf einen Tisch und wählte eine große Vase. Während sie die Zweige hineinstellte, dachte sie über Minnie und Timms nach. Timms war glücklicher, entspannter, seit Vane hier war. Das Gleiche konnte man auch von Minnie behaupten. Offensichtlich schlief sie auch besser – ihre Augen blitzten wieder, und ihre Wangen waren nicht mehr so eingefallen vor Sorge.
Patience runzelte die Stirn und konzentrierte sich auf ihre Arbeit.
Auch Gerrard war wesentlich entspannter. Die Vorwürfe und Anspielungen waren weniger geworden, waren im Nebel verschwunden. Genau wie das Gespenst.
Auch dafür war Vane verantwortlich – ein weiterer Pluspunkt seiner Anwesenheit. Das Gespenst war nicht mehr gesehen worden.
Der Dieb jedoch schlug nach wie vor zu. Seine letzte Trophäe war wirklich bizarr. Das Nadelkissen von Edith Swithins – das mit Perlen besetzte Kissen aus rosa Satin, etwa zehn Zentimeter im Quadrat, bestickt mit einem Bild von Seiner Majestät George III., konnte man wohl kaum als wertvoll bezeichnen. Dieser letzte Diebstahl hatte sie alle sprachlos gemacht. Vane hatte den Kopf geschüttelt und behauptet, dass es wohl eine Elster geben musste, die im Haus ihr Nest hatte.
»Wohl eher ein Rabe.« Patience blickte zu Myst. »Hast du einen gesehen?«
Myst hatte sich hingelegt. Sie hielt Patience' Blick stand und gähnte. Gar nicht sanft. Ihre Zähne waren wirklich beeindruckend. »Also auch kein Rabe«, schloss Patience daraus.
Obwohl Vane alle Gasthäuser und Kneipen in der Gegend abgeklappert hatte, mit Hilfe von Gerrard, der nur zu gern dazu bereit gewesen war, hatten die beiden nichts gefunden, was darauf hinwies, dass der Dieb die gestohlenen Sachen verkaufte. Es blieb alles ein Geheimnis.
Patience stellte den Korb
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