Der Liebestempel
Stimme. »Vielleicht kann ich ein bißchen nachhelfen.«
Gleich darauf preßten sich ihre
Lippen fest gegen die meinen, und ich spürte, wie das elastische Gewicht ihrer
vollen Brüste sich gegen mich preßte. Meine Rechte umklammerte die Rundung
ihres Schenkels, und — ganz plötzlich — hatte ich mich angepaßt .
Eine ganze Weile später löste sie sich sachte von mir und stand wieder auf.
Eine Hand verschwand hinter ihrem Rücken, und gleich darauf flog der
Büstenhalter wie ein Silberstreifen durchs Zimmer.
»Das nenne ich nun wirklich mal
ein Licht, das führt«, sagte ich aufrichtig begeistert.
»Was?« Sie erstarrte von Kopf
bis Fuß, abgesehen von den leise bebenden Brüsten.
»Ein Licht, das führt.« Ich
machte eine vage Handbewegung. »All das prachtvolle, herumwirbelnde Silber.«
»Wo haben Sie den Ausdruck
her?« fragte sie mit gepreßter Stimme.
»Vom Tempel der Liebe «,
sagte ich. »Ich hatte keine Ahnung, daß es in mein eigenes Wohnzimmer
transportiert werden sollte.«
Ihrem Gesichtsausdruck war
eindeutig zu entnehmen, daß Wheelers Tempel der Liebe soeben zusammengebrochen
war, und ich erwartete das Krachen der zusammenstürzenden Säulen. Justine ergriff ihren Büstenhalter, zog ihn an, trat in das
Silberkleid und zog den Reißverschluß von unten bis
oben zu. Ich habe von jeher hinterher den umgekehrten Strip- tease -Vorgang genossen — aber vorher? Ich hatte
ausreichend Zeit, mir eine Zigarette anzuzünden, während sie ihr langes Haar
wieder zu einem gigantischen Knoten verflocht. Düster beobachtete ich, wie der
Rauch über dem Lampenlicht spiralförmig nach oben stieg.
»Habe ich was Falsches gesagt?«
»Das wissen Sie genau«, sagte
sie kurz. »Ich wette, Sie halten sich für schrecklich gerissen, Al Wheeler! Na,
dann okay. Suchen Sie Ihren verdammten Mörder selber!«
Sie ergriff ihre auf dem Tisch
liegende Handtasche und strebte zur Tür. Wehmütig sah ich dem wippenden
Silberhinterteil nach, bis es im Korridor verschwunden war. Dann hörte ich, wie
die Wohnungstür hinter ihr zuschlug und duckte mich unwillkürlich für den Fall,
daß die Decke auf mich herunterstürzen sollte. Es hatte ganz den Anschein, als
ob das Licht, das einen führte, eine Art Kennwort für etwas sei. Aber
inwiefern? Und Kennwort wofür? Nicht für Sex, soviel war sicher, dachte ich
mürrisch. Dann goß ich mir einen einsamen Drink ein und schaltete das HiFi -Gerät ab. Wer brauchte noch diese schluchzenden Töne,
um sich des vollen Ausmaßes seiner Frustration bewußt zu werden? Auf meiner Uhr
war es kurz nach halb zehn, und es war noch früh am Abend. Viel zu früh für
mich, um in meiner Wohnung eingesperrt zu bleiben, angefüllt mit all den
glitzernden silbernen Erinnerungen, während der Duft ihres Parfüms noch in der
Luft lag.
Das Verdeck des Austin-Healey
war noch heruntergeschlagen, und die kühle Nachtluft fühlte sich angenehm auf
meinem Gesicht an, während ich auf die Straße hinausfuhr. Ungefähr zwanzig
Minuten später traf ich beim Tempel der Liebe ein und parkte etwa
fünfzig Meter weit hinter dem Eingang am Straßenrand. Während ich zurückging,
hatte ich viel Zeit, mich zu fragen, was zum Teufel ich da eigentlich zu suchen
hatte. Ein Polizeibeamter ohne Haussuchungsbefehl mußte übergeschnappt sein,
wenn er auch nur erwog, in das Haus einzudringen. Ich kam also zu dem Schluß,
daß ich in der Tat übergeschnappt war, und ging weiter. Auf dem privaten
Parkplatz standen drei Wagen, und vielleicht gehörte einer davon Justine , die möglicherweise vor mir zurückgekommen war. Das
schmiedeeiserne Tor war verschlossen, aber schließlich stand mir mein gesamtes
aufgeputschtes — und unausgenütztes — Drüsensystem
zur Verfügung. Ich nahm einen Anlauf, sprang an der Luftziegelmauer hoch und
schaffte es, mich daran in die Höhe zu ziehen. Dann ließ ich mich auf der
anderen Seite in den Hof hinunterfallen.
Helles Mondlicht überflutete
eine völlig trockene Venus. Vielleicht war Kendall ein Pfennigfuchser, der
nachts den Springbrunnen abschaltete. Als ich näher an den massiven Bogengang
herantrat, sah ich, daß durch das schmiedeeiserne Gitter der in die Vorderwand
des Tempels eingelassenen Tür Licht drang. Es war nicht gerade das Licht, das
ich zu meiner Führung brauchte; und so trat ich schnell unter den gewölbten
Gang, bog scharf nach links ab und ging die überdachte Passage entlang. Ungefähr
zehn Meter vom Hauseingang entfernt erreichte ich ein offenes Fenster, das
dunkel
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