Der Liebestempel
»Seit ich bei der Polizei angefangen
habe, habe ich immer auf jemanden gewartet, der einen korrupten Polizeibeamten
aus mir macht, aber niemand hat sich jemals darum bemüht. Es wirkt recht
entmutigend, Jahr um Jahr vom Gehalt eines Polizeilieutenants leben zu müssen.«
»Gleich breche ich in Tränen
aus.« Sie gähnte erneut. »Haben Sie vielleicht die Ratenzahlungen für den HiFi einstellen müssen, oder was ist los?«
»Keine Musik?« Ich sprang
erregt von der Couch auf. »Ich habe wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank!«
»Was Weiches und Sinnliches,
Al«, sagte sie. » Heute abend möchte ich einmal ganz
ich selber sein und alles gut sein lassen.«
»Wenn dieses verdammte Gerät
nur drei Platten gleichzeitig spielen würde«, sagte ich sehnsüchtig, während
ich mit dem Plattenstoß herumfummelte.
»Bevor wir loslegen, sollte ich
Ihnen vielleicht noch etwas sagen, Al.« Ihre Saphiraugen waren plötzlich ernst.
»Ich fürchte, es handelt sich dabei um eine Art beruflichen Vertrauensbruch — aber
was soll ein Mädchen schon tun, wenn es sich ganz allein in der Bude eines Polizeilieutenants befindet?«
»Auf diese interessante Frage
können wir gleich zurückkommen«, sagte ich. »Brechen Sie erst mal das
Vertrauen.«
» Mrs. Magnuson kam gestern nacht zu einer persönlichen therapeutischen Behandlung in den Tempel. Psychedelisch mit allem
Drum und Dran im Sarg. Rafe wollte, daß ich mich um
sie kümmere, denn sie zieht sich gern nackt aus, bevor sie sich hineinlegt. Das
hat bei ihr, glaube ich, mit Sex nichts zu tun; es gehört nur einfach zu den
ganzen Verrücktheiten, die Rafe ihr aufschwatzt.«
»Das Ablegen der Kleidung
symbolisiert das Ablegen von Hemmungen?« sagte ich. »Der Körper soll frei sein,
so daß sich auch der Geist befreien kann?«
»So ungefähr.« Ihre Brauen
hoben sich ein bißchen. »Wenn Sie das Polizistendasein mal satt haben, kann Rafe jederzeit einen Burschen mit Ihrer Vorstellungskraft
gebrauchen. Na, jedenfalls steckte ich sie in den Sarg, schaltete Lichter und
Musik ein und machte mich wie immer schnell aus dem Staub, bevor mir schwindlig
wird. Die übliche Zeit für die Therapie ist Rafes Anweisungen zufolge eine halbe Stunde. Als ich dreißig Minuten später
hineinkam, war die Musik ausgeschaltet und es herrschte blauschwarze Dämmerung.
Mir war ein paar Sekunden lang ziemlich übel, aber dann sah ich Mrs. Magnuson kerzengerade auf
gerichtet im Sarg sitzen. Sie schien zu mir herüberzusehen. Aber als ich näher
trat, stellte ich fest, daß sie überhaupt nichts ansah. In ihren Augen lag ein
starrer leerer Ausdruck. Dann begann sie zu reden und es dauerte eine ganze
Weile, bevor ich begriff, daß sie glaubte, sie spräche zu Bryant. Sie sagte
immer wieder, wie sehr sie ihn liebe, und das mache es ihr leichter, die Schuld
zu tragen, obwohl sie sich beide in diese Schuld teilten. Dann rückte sie mit
einer ganzen Wagenladung von Unsinn heraus, den sie von Rafe übernommen hatte — daß Liebe alles sei und alles entschuldige. Das Ganze kam zu
einem Punkt, an dem ich es nicht mehr ertragen konnte, und so gab ich ihr einen
Klaps ins Gesicht und brachte sie zu sich. Dann fragte sie mich, wohin Paul
gegangen sei. Ich erklärte ihr, hier sei kein Paul, nur wir beide, aber sie
wollte mir nicht glauben. Sie beharrte darauf, Bryant sei im Baum gewesen und
sie hätte mit ihm geredet. Schließlich brach sie in Tränen aus und sagte, er
habe ihr das Licht, das sie führe, gestohlen.«
»Na, so was!« Ich schüttelte
feierlich den Kopf.
»Schön.« Sie seufzte. »Ich
weiß, daß das alles nach reiner Hysterie klingt, aber sie hatte sich ganz gewiß
eingebildet, daß Bryant da sei.«
»Das Problem ist«, dozierte
ich, »ob wir, wenn wir die Freudsche Analyse an
wenden, Jung beiseite lassen können? Oder vielleicht
handelt es sich einfach um die Frage, ob es sich um eine paranormale
Erscheinung handelt? Haben wir es hier mit einer komplexen Psychose zu tun oder
mit einer einfachen Halluzination, ausgelöst durch eine psychosomatische
Reaktion in Form einer eingebildeten Allergie, vermutlich hervorgerufen durch
die Plüschunterlage auf ihrer bloßen Haut? Ich möchte den Fall nicht unnötig
komplizieren, Doktor, aber ich würde vorschlagen, uns mit großer Vorsicht — und
langsam — auf eine Diagnose zu einigen, die uns nebenbei zu interessanten
sexuellen Forschungsarbeiten reichlich Spielraum läßt.«
»Der Teufel soll Sie holen!«
Ihre Wangen waren hochrot. »Ich dachte, es
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