Der Liebestempel
ersten paar Monaten nicht mehr.«
»Sie sind natürlich
Eheexperte«, schnaubte sie verächtlich.
»Ich bin in jeder Beziehung
Eheexperte«, pflichtete ich bei. »Meine Eltern waren jahrelang verheiratet.«
Ich setzte mich an den
zerschrammten Schreibtisch, der mir als Operationsbasis diente — nur der
Sheriff hatte ein Anrecht auf ein eigenes Büro — , und betrachtete ihr Gesicht,
das ausgesprochen hübsch, wenn nicht gar schön war. Annabelle hatte die südliche
Frische, die man immer gar nicht für möglich hält, bis man sie einmal gesehen
hat. Ihr honigblondes Haar hatte Glanzlichter, und sie trug ein
Hemdblusenkleid, das angenehm prall über den vollen Brüsten saß. Wenn ich den
Kopf seitwärts senkte, konnte ich zwei hübsch mit Grübchen versehene Knie und
unter dem Kleid die Umrisse fest gerundeter Oberschenkel sehen. Ich mußte
zugeben, daß es sich um die Reaktion eines befriedigten Satyrs handelte — der
Augenblick, in dem er vermochte, die Pluspunkte eines Mädchens mit echter
Bewunderung anstatt mit hoffnungsvoller Lust zu begutachten.
»Ich bin endlich hinter etwas
gekommen, worüber ich mir schon lange den Kopf zerbrochen habe«, vertraute sie
mir plötzlich an. »Ich habe mich immer gefragt, weshalb ich mir eigentlich
überhaupt die Mühe mache, im Büro Kleider zu tragen; aber dann fiel mir ein,
daß ich es deshalb tue, weil Sie ja nicht immer hier sind.« Sie sah mich
erwartungsvoll an. »Gehen Sie bald wieder, Lieutenant?«
»Ich warte auf einen wichtigen
Anruf«, sagte ich. »Auf süße Vertraulichkeiten von den Rosenlippen einer
hinreißenden Rothaarigen.«
»Und das zehn nach neun Uhr am
Morgen?« jammerte sie.
»Neun Uhr dreißig, um exakt zu
sein. Da wird sie nämlich anrufen«, sagte ich zuversichtlich.
»Hoffentlich ist sie pünktlich«,
sagte Annabelle düster. »Sie zwanzig Minuten lang ertragen zu müssen reicht für
einen Tag.«
»Okay.« Ich versuchte, verletzt
dreinzublicken. »Ich werde zum Sheriff gehen und mit ihm reden.«
»Ich wollte, Sie würden das
wirklich tun«, sagte sie eifrig. »Er ist im Augenblick im Rathaus und wird
nicht vor elf Uhr zurückkommen.«
Sie beugte mindestens eine
Minute lang den honigblonden Kopf über die Schreibmaschine und blickte dann
wieder auf. »Was haben Sie eigentlich an der Ehe auszusetzen?«
»Soll das eine Art Antrag
sein?« fragte ich vorsichtig.
»Sie heiraten?« Sie lachte
wild. »Man müßte ja vollkommen verrückt sein, um an so was auch nur zu denken!
Das wäre so, als wenn man versuchte, einen zähen alten Ziegenbock mit einem
dünnen Faden festzuhalten.«
»Vielen Dank, Annabelle
Jackson«, knurrte ich.
»Es war nicht persönlich
gemeint.« Sie kicherte boshaft und sah mich dann voller Milde an. »Man muß als
Mädchen solche Dinge nur wissen. Glauben Sie, daß ein normaler Mann beim
Gedanken an eine Ehe genauso heftig reagiert wie Sie?«
»Wahrscheinlich sind wir
zweiköpfigen Monstren eine besondere Rasse«, knurrte ich.
»Es ist einfach ungerecht, ein
Mädchen sein zu müssen«, sagte sie seufzend. »Wenn ich mal eine verknöcherte
alte Jungfer bin, was habe ich dann noch für eine Chance, gutaussehende junge
Männer zu verführen? Nicht die allergeringste! Aber Sie scheinen den größten
Teil Ihres Lebens damit zu verbringen, junge Mädchen zu verführen. Ich weiß
nicht, ob sie schön sind, aber vermutlich sehen Sie sie ohnehin niemals bei
Tageslicht, wie?«
»Nehmen Sie doch Ihre
Schreibmaschine und schlagen Sie damit Ihr Spatzengehirn zu Mus. Ja?« schlug
ich ihr voller Kälte vor.
»Ich möchte ja nur einen Rat
haben.« Ihre babyblauen Augen waren rund und unschuldig. »Ich meine — ich dachte,
ein älterer Mann wie Sie, mit all seinen Erfahrungen — selbst wenn es
schmutzige sind —, könnte mir vielleicht ein bißchen helfen?«
»Bleiben Sie bloß ruhig
sitzen«, zischte ich. »Ich nehme die Schreibmaschine schon und schlage Ihr
Spatzengehirn zu Mus!«
»Sehen Sie?« Sie seufzte tief,
was eine interessante Wirkung auf das Vorderteil ihres Hemdblusenkleides hatte.
»Sie wollen eben einem Mädchen, das Couches und HiFi-Anlagen gegen ein
Doppelbett und eine Waschmaschine eintauschen möchte, nicht helfen.«
»Haben Sie einen Speziellen im
Auge?«
»Im Moment nicht.« Sie stützte
die Ellbogen auf die Schreibtischplatte, legte das Kinn in die Hände und
starrte mich schwermütig an. »Da war dieser Mann, Harold. Er hatte eine feste
Anstellung als stellvertretender Manager in einem Supermarkt. Er sah
Weitere Kostenlose Bücher