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Der Liebeswunsch

Der Liebeswunsch

Titel: Der Liebeswunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Wellershoff
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auch?«
    »Geht leider nicht. Ich muß heute und morgen auftreten. Und Montag haben wir Probe. Ich freu mich aber, daß du mal wieder
     hinfährst, Marlene.«
    »Gut. Ich rufe dich auf jeden Fall an.«
    »Besser umgekehrt. Ich weiß nicht, wann ich zu Hause bin. Also gute Fahrt.«
    Sie verabschiedeten sich. Das Gespräch war herzlich wie immer gewesen. Paul war nicht mehr erwähnt worden, als sei sein Name
     schon gelöscht. Anschließend rief sie Leonhard an, der erst zögerlich auf ihren Vorschlag reagierte. Er machte Einwände wegen
     Daniel. Aber das hörte sich ein wenig lahm an, denn da er, wie sie wußte, seine Prozeßakten zu Hause durcharbeitete, hatte
     er ziemlich viel Kontakt mit dem Jungen. Außerdem war da auch noch seine Schwiegermutter, die sich um Daniel kümmerte.
    »Komm für ein paar Stunden«, sagte sie. »Es ist wunderschön dort. Es wird dir gefallen. Und ich glaube, es ist wichtig, daß
     wir uns aussprechen.«
    Sie wollte gerade anfangen, ihm den Weg zu erklären, alssie Paul ins Haus kommen hörte. Leonhard sprach noch, wollte wissen, wie lange die Fahrt dauere.
    »Du, ich kann jetzt nicht weiterreden«, sagte sie hastig. »Ich rufe dich an, wenn ich da bin.«
    Paul trat ins Zimmer. »Hallo«, sagte er.
    Sie nickte ihm zu und drückte den Hörer fest ans Ohr, denn Leonhard, der sie wohl nicht verstanden hatte, redete weiter.
    »Ich rufe dich von dort an«, wiederholte sie. »Ja, ja, gleich wenn ich da bin.« Sie legte auf.
    »Mit wem hast du gesprochen?« fragte Paul.
    »Mit meiner Hamburger Freundin«, sagte sie.
    »Mit Ruth«, korrigierte er nachsichtig, um sie daran zu erinnern, daß er seit Jahren in diesen Freundschaftsbund einbezogen
     war.
    »Ja, natürlich mit Ruth.«
    Als habe sie damit eine sichere Position bezogen, fügte sie hinzu: »Ich fahre für einige Tage nach Greifenstein.«
    »Jetzt gleich?« fragte er ungläubig, doch auch so, als habe er nur ein mäßiges Interesse daran.
    »Ja, jetzt gleich.«
    »Wir hatten doch beschlossen, heute abend zum Kollegentreff zu gehen.«
    »Nein, beschlossen haben wir gar nichts. Du hast nur gesagt, es sei wichtig, wieder einmal hinzugehen.«
    »Das ist es auch.«
    »Für mich ist etwas anderes wichtig«, sagte sie.
    »Allein zu sein?«
    »Ja«, sagte sie.
    Sie war erstaunt, daß er es ohne weiteren Einspruch hinnahm. Es imponierte ihr, wie ruhig er war. Vielleicht paßtees ihm auch, daß sie wegfuhr. Ja, natürlich, er würde die Gelegenheit ergreifen und die Nacht mit Anja verbringen, die jetzt
     allein lebte und jederzeit für ihn erreichbar war. Das war eine neue Situation, die sie noch nicht in allen Konsequenzen bedacht
     hatte. Wenn sie sich jetzt schroff und abweisend verhielt, trieb sie ihn, so wie er war, geradezu zwangsläufig wieder auf
     den alten Weg. Alles kochte in ihr hoch. Doch im selben Augenblick dachte sie, daß sie ja dabei war, eine neue Antwort zu
     finden. Sie wollte ein Ende machen. Alles verändern. Dann hatte sie nichts mehr damit zu tun.
     
    Die Abfahrt verlief reibungslos. Paul hatte seinen Saab, den er mitten in der Einfahrt abgestellt hatte, am Straßenrand vor
     dem Haus geparkt, damit Marlene ihren Golf ohne Schwierigkeiten rückwärts aus der Garage setzen konnte. Er hatte ihr die beiden
     Gepäckstücke abgenommen, um sie zum Wagen zu tragen und in den Kofferraum zu laden. Vielleicht hatte er sich wegen der schweren
     Kühltasche Gedanken gemacht, aber nichts weiter gesagt und »Gute Fahrt« gewünscht. Im Rückspiegel hatte sie noch gesehen,
     wie er sich umdrehte und zum Haus zurückging. Er sah einsam und verschlossen aus.
    Als sie schon auf der Autobahn war, glaubte sie plötzlich im Rückspiegel sein Auto zu sehen, das sich ihr mit großer Geschwindigkeit
     näherte. Aber er war es nicht. Es war nicht einmal ein Saab. Trotzdem konnte sie sich nicht ganz freimachen von der Vorstellung,
     er würde ihr folgen. Oder vielleicht morgen, wenn Leonhard sie in Greifenstein besuchte, plötzlich auf das Grundstück fahren,
     wo ihr Auto und Leonhards Auto nebeneinanderstanden. Was dann geschehenwürde, mochte sie sich nicht vorstellen. Es war nicht sehr wahrscheinlich, daß es passierte. Es war nicht Pauls Art, sich
     an ihre Fersen zu heften. Obwohl das nicht hieß, daß so etwas überhaupt nicht in ihm steckte. Auch er konnte eifersüchtig
     sein. Vielleicht sogar heftiger als andere. Und zwischen den beiden Männern konnte der blanke Haß ausbrechen. Mußte sie also
     umdenken und Leonhard bitten, nicht zu

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