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Der Liebeswunsch

Der Liebeswunsch

Titel: Der Liebeswunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Wellershoff
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stimmte das auch. Sie war früh mit dem Gefühl aufgewacht, heute einen entscheidenden
     Schritt weiterzukommen. Leonhards Anwesenheit würde ihr dabei helfen, schon dadurch, daß sie sich festlegte, indem sie ihm
     sagte, was sie plante. Er hatte einschlägige berufliche Erfahrungen. Und natürlich auch ganz eigene, über die sie sprechen
     mußten, so eng, wie ihre Lebensgeschichten miteinander verbunden waren. Es mußte sich allerdings erst zeigen, ob er das wollte.
     So wie er neben ihr herging, wirkte er wie jemand, der eine Last mit sich trug, die er tief in sich verstaut und vielfach
     gesichert hatte. Es konnte auch sein, daß er ganz unzugänglich blieb. Sie traten von der Seite auf die Terrasse. Leonhard
     blieb stehen.
    »Ach, da ist ja die Burg, die ich schon vorhin bei der Anfahrt gesehen habe«, sagte er. »Ist ja ein phantastischer Anblick.«
    »Findest du?«
    »Ja einmalig«, sagte er.
    »Ich habe mich daran schon ein bißchen übergesehen«, sagte sie.
    Er nickte wie abwesend, schaute hinüber zu den Doppeltürmen. »Einmalig«, sagte er wieder.
    »Gut, dann setz dich hier hin. Ich hole uns was zu trinken. Kaffee? Tee?«
    »Kaffee bitte. Und Mineralwasser.«
    »Das bringe ich dir gleich.«
    Als sie mit Gläsern und Mineralwasser zurückkam, war Leonhard ein Stück den Hang hinuntergegangen und hatte Schwierigkeiten,
     wieder hochzukommen. Sie zeigte ihm die Stelle am Rand des Wiesenhanges, wo es leichter ging, und er stakste, immer ein Bein
     ein Stück vorschiebend und das andere als Stütze benutzend, ziemlich unbeholfen zur Terrasse hoch.
    »Das ist wohl ein Übungsgelände für Bergwanderer«, sagte er.
    »Man lebt eben hier oben auf der Terrasse und schaut sich die weite Welt an.« Sie machte eine Handbewegung zur Burg und den
     fernen Bergrücken hin. »Das Haus heißt Casa bella vista.«
    »Vollkommen zu Recht.«
    »Also, dann mach's dir bequem. Ich bereite schnell unseren Brunch vor. Toast mit Spiegeleiern oder mit Rührei?«
    »Mit Rührei«, sagte er.
    Es läuft gut, dachte sie, als sie wieder in der Küche war. Er hat sich gleich entspannt. Offenbar gefällt es ihm, hier zu
     sein.
    Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich, abgesehen von Telefongesprächen, zum letzten Mal mit ihm allein unterhalten
     hatte. Vielleicht während ihres Urlaubs zu viert in Florida, wenn sie mit ihm zum Supermarkt gefahren war oder Paul und Anja
     beim Jogging waren. Das waren aber keine Gespräche gewesen. Und erst recht keine Aussprache. Damals war scheinbar noch alles
     in Ordnung gewesen, denn sie hatte ihren Verdacht zurückgehalten, um abzuwarten, was geschah. In Leonhard hatte sie nicht
     hineinblicken können. Er schien etwas mit sich herumzutragen, das ihn belastete oder irritierte. Doch er hatte nichts zu erkennen
     gegeben, nicht einmal mit einer Andeutung. Es gehörte zu seinen Überzeugungen, daß es im Leben darauf ankam, die Form zu wahren.
     Und das war nur möglich, wenn man keine zu großen Erwartungen hegte und seine persönlichen Zweifel und Enttäuschungen in sich
     verschloß. Nein, sie hatten seit Jahren nicht mehr richtig miteinander gesprochen, fast so, als sei ihre sogenannte alte Freundschaft
     eine Einrichtung zur Verhinderung von Gesprächen gewesen. Nur Anja hatte das eines Tages durchbrochen, und von da an war alles
     ins Rutschen geraten.
    Der Kaffee war durchgelaufen, und sie hatte ihn in die Thermoskanne umgefüllt. Alles andere, außer dem Rührei, das sie zuletzt
     machen wollte, stand schon auf dem Servierwagen. Während sie die Eier aufschlug und mit der Milch vermengte, sah sie wieder
     vor sich, wie mühsam Leonhard vorhin den Hang hochgeklettert war. Am liebsten hätte sie ihm geholfen. Doch das hätte ihm vielleicht
     nicht gefallen. Ihr war seine Unbeholfenheit sympathisch gewesen. Er war zu einem Mann ohne jede sexuelle Aggression geworden,
     was neue Möglichkeiten in sich barg. Man konnte gelassen und freundschaftlich, ohne die üblichen Untertöne und Balzrituale,
     miteinander umgehen, und das war genau das, was sie sich wünschte. Sie wollte nicht, daß es Mißverständnisse gab, die vermutlich
     in fremden Augen, vielleicht auch in Pauls Augen, nahelagen. Leonhard schien sich bei ihr sicher zu fühlen, weil er spürte,
     daß sie nichts weiter von ihm wollte als ein ruhiges, freundschaftliches Vertrauen.
    Als sie den vollbeladenen Servierwagen durch den Wohnraum auf die Terrasse schob, sah sie ihn von hinten in seinem Korbsessel
     sitzen. Er hatte die

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