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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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bringen. Selbst die Tinte könnte bald gefrieren. Ob die Federspitze dann bersten würde? Würde selbst mein Füllfederhalter an diesem Ort beschädigt werden?
    Aber ich bringe Wörter auf Papier. Das ist etwas. Hier drinnen ist es schon fast alles.
    Wo anfangen? Mit dem Klopfen des Polizisten an meine Tür um ein Uhr morgens? Der Nacht in den Zellen der Brightoner Polizeiwache? Wie Mrs Marion Burgess mich vor Gericht als »sehr fantasievollen« Mann beschreibt? Wie die Tür des Transporters zuschlägt, nachdem ich von der Anklagebank weggeführt wurde? Das Zuschlagen aller Türen seitdem?
    Ich beginne mit Bert. Bert, dem ich es zu verdanken habe, schreiben zu können.
    Alles, was er für mich verstecken soll, sagt Bert, kann er verstecken. Die Schließer werden nichts ahnen.
    Woher weiß er, was ich will? Bert weiß alles. Es kann gut sein, dass seine petrolblauen Augen durch Wände sehen können. Er ist der am meisten gefürchtete und mächtigste Häftling in Block D und er hat verkündet, dass er mein Freund ist.
    Weil Bert gerne einem »gebildeten Arsch« wie mir beim Reden zuhört.
    Sobald ich wieder mit anderen verkehren durfte, machte sich Bert mit mir bekannt. Ich holte mir gerade die erbärmlichen Abfälle, die sie Lunch nennen (Kohl, gekocht bis er glasig ist, Klumpen von unkenntlichem Fleisch), als jemand in der Schlange meinte, mich mit den Worten: »Los, mach schon, Schwuler«, vorwärtstreiben zu müssen. Nicht unbedingt die originellste Beleidigung. Ich wollte mich gerade ducken und genau das tun, was mir gesagt wurde. Auf diese Weise hatte ich die letzten drei Monate ohne allzu viel Ärger überstanden. Da tauchte Bert neben mir auf.
    »Hör zu, Arschloch. Der Mann ist ein Freund von mir. Und Freunde von mir sind nicht schwul. Kapiert?«
    Leise Stimme. Blasse Wangen.
    Zum ersten Mal sah ich geradeaus, als ich zum Tisch ging. Ich folgte Bert, der den Wunsch klarmachte, ohne ein einziges Wort zu sagen oder eine Geste zu machen. Sobald wir uns mit unseren Tabletts hingesetzt hatten, nickte er mir zu. »Hab von deinem Fall gehört«, sagte er. »Teuflische Freiheit. Sie haben dich fertiggemacht, genau wie sie mich fertiggemacht haben.«
    Ich widersprach ihm nicht. Vielleicht weil ich nicht herumstolziere, keinen »Puder« trage (Mehl aus der Küche) und »Nagellack« (Farbe, die sie in der Werkstunde mitgehen lassen), denkt Bert, ich sei normal. Viele der Schwulen hier sind sehr, sehr offen. Ich glaube, sie denken, sie können sich die Zeit hier ebenso gut auf bestmögliche Art vertreiben. Die grauen wollenen Capes, die für die Wintermonate an uns ausgegeben wurden – sie werden am Hals geschlossen und reichen rundherum bis zur Taille –, wirken ziemlich theatralisch, wenn man sie auf dem Hof über eine Schulter wirft. Warum also nicht alles aus ihnen herausholen? Ich bin selbst ein bisschen versucht. Sie sind weiß Gott das beste Teil der Gefängniskleidung. Aber alte Gewohnheiten, sagt man, sind hartnäckig. Und so fiel Bert, wenn schon niemand sonst, darauf herein. Und niemand widersprach Bert.
    Ich hatte schon von ihm gehört, bevor er sich mir vorstellte. Er ist der Tabakbaron. Jeden Freitag macht er seine Geschäfte bei den Männern mit dem »Knaster«, den er mit hohem Gewinn bei ihnen absetzt. Er sieht nicht gut aus. Klein, rothaarig, in der Mitte füllig. Auf beiden Unterarmen Tätowierungen, von denen er sagt, dass es Jugendsünden seien, die er jetzt bereut. »Hab sie am Piccadilly bekommen«, sagte er, »nach meinem ersten richtigen Fischzug. Hatte da einen Riesen. Dachte, ich wäre der König oder so.«
    Aber Bert hat angeborene Führereigenschaften. Die sanfte, leise Stimme. Ihm entgeht nichts. Wie er dasteht, als wäre er aus dem Boden gewachsen. Überzeugt davon, ein Existenzrecht zu haben wie jeder Baum. Wie er sich Menschen annimmt, die ihn brauchen, wie ich, und sie dann ausnutzt. Also. Bert hat zugestimmt, dieses Buch zu verstecken. Er hat mir gesagt, dass er nicht lesen kann. Und warum sollte er in dem Punkt lügen?
    Alles, was ich dafür tun muss, sagt er, ist reden. Wie ein gebildeter Arsch sollte.
    Ich habe viel über Rasierklingen nachgedacht. Und fingerlose Handschuhe. Ich stelle fest, dass diese beiden Dinge meine Gedanken voll und ganz beschäftigen können.
    Fingerlose Handschuhe, weil meine Hände wegen der extremen Kälte um die Gelenke aufgesprungen und rot sind. Ich träume von dem Paar, das ich hatte, als ich in Oxford war. Dunkelgrün, gewalkte Wolle. Damals dachte

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