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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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ich, sie würden meine Hände wie die eines Arbeiters aussehen lassen. Jetzt weiß ich, welcher Luxus die Handschuhe waren.
    Und Rasierklingen. Die, die sie hier jeden Morgen ausgeben, sind zu stumpf, um sich ordentlich zu rasieren. Zuerst hat mich das fast wahnsinnig gemacht. Das Jucken der Stoppeln war unerträglich und ich verbrachte fast den ganzen Tag damit, mein Gesicht zu kratzen oder es nicht zu kratzen. Ich sehnte mich nachmeinem eigenen Rasierer. Stellte mir immer wieder vor, wie ich einfach bei Selfridges hineinspazierte und ihn kaufte, ohne zu überlegen.
    Ich habe festgestellt, dass es ganz leicht ist, sich auf solche Kleinigkeiten zu konzentrieren. Besonders wenn jeder Tag gleich ist, abgesehen von ein paar Unterschieden beim Essen (am Freitag gibt es alten Fisch in dicker Kruste, sonntags zur Teezeit einen Klecks Marmelade zu unserem Brot) oder festen Gewohnheiten (Gottesdienst am Sonntag, Bad am Donnerstag). An größere Dinge zu denken ist Wahnsinn. Ein Stück Seife. Ein sauberer Nachttopf. Eine schärfere Rasierklinge als gestern. Diese Dinge bekommen große Bedeutung. Dadurch schaffe ich es, nicht den Verstand zu verlieren. Ich habe etwas anderes zum Nachdenken als Tom. Denn über meinen Polizisten nachzudenken wäre die Hölle. Ich tue alles, um solche Gedanken zu verdrängen.
    Rasierklingen. Nachttöpfe. Marmeladenkleckse. Seife.
    Und für die Fantasie: fingerlose Handschuhe.
    Ich habe noch nie genau die Maße eines Raumes gewusst, bevor ich in diese Zelle kam. Vier Meter lang, zwei Meter siebzig breit, drei Meter hoch. Ich habe es mit Schritten ausgemessen. Die Wände sind bis zur halben Höhe langweilig cremefarben gestrichen, dann weiß gekalkt. Der Boden besteht aus geschrubbten blanken Dielen. Keine Heizung. Canvas-Bett mit zwei kratzigen grauen Decken. Und in der Ecke ein kleiner Tisch, an dem ich schreibe. Der Tisch ist mit Schriftzeichen bedeckt, die in seine ohnehin nicht besonders glatte Oberfläche geschnitzt sind. Viele davon sind Zeitangaben: »Noch neun Monate. 02.03.48«. Einige armselige Witze über die Schließer: »Hillsmann lutscht Schwanz.« Am meisten interessiert mich ein Wort und manchmal verbringe ich mehrere Minuten damit, einfach nur mit dem Daumen darüber zu reiben: das Wort » JOY «. Ich vermute, der Name einer Frau.Aber das Wort hier auf dem Tisch zu finden ist so erstaunlich, dass es verlockend ist, es als kleine Botschaft der Hoffnung zu deuten.
    Es gibt ein Fenster, hoch oben, bestehend aus zweiunddreißig (ich habe sie gezählt) schmutzigen Glasscheiben. Jeden Morgen wache ich auf, lange bevor die Riegel an der Tür geöffnet werden, und starre auf die undeutlichen Umrisse dieser Glasquadrate und versuche mir einzureden, dass heute vielleicht die Sonne durchkommt und einen Funken Licht auf den Boden der Zelle wirft. Aber das ist noch nicht geschehen. Und vielleicht ist es besser so.
    Unmöglich, genau zu sagen, wie spät es ist, aber bald werden die Lichter ausgehen. Und dann wird das Schreien anfangen. »Mein Gott. Mein Gott.« Ruft der Mann jede Nacht, wieder und wieder. »Mein Gott. Mein Gott. Mein GOTT! « Als glaubte er, er könnte Gott wirklich hierherzitieren, wenn er nur laut genug schreien würde. Zuerst rechnete ich damit, dass ein anderer Häftling zurückschreien würde, ihn auffordern würde, den Mund zu halten. Da wusste ich noch nicht, dass kein anderer Häftling von dir verlangen wird, deinen Schmerz zu leugnen, sobald die Lichter aus sind. Stattdessen hören wir still zu oder rufen zurück, lassen unseren eigenen Schmerz heraus. Es bleibt den Schließern überlassen, an seine Tür zu schlagen und ihm mit Einzelhaft zu drohen.
    Das Klopfen an der Tür. Viertel nach eins morgens. Ein lautes Klopfen. Ein Klopfen, das nicht aufhört, bevor es beantwortet wird. Das vielleicht auch dann nicht aufhört. Ein Klopfen, das alle Nachbarn informieren soll, dass jemand mitten in der Nacht gekommen ist, um dich zu holen, und nicht geht, bevor sie dich haben.
    Klopf. Klopf. Klopf.
    Ich musste das Klingeln unten überhört haben, während ich schlief, denn es war jemand draußen vor der Wohnungstür. Ichwusste, dass es nicht Tom sein konnte. Er hatte einen Schlüssel. Aber ich hatte keine Ahnung, dass es ein anderer Polizist sein würde.
    Seine Hand war noch in der Luft, als ich öffnete, sein Gesicht unter dem Helm komisch klein und rot. In meinem schlaftrunkenen Zustand dachte ich, dass das vielleicht ein Scherz war. Es waren noch drei da. Zwei in Uniform wie

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