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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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noch nicht ganz. Einiges ist beeindruckend fantasievoll, wenn nicht makaber. »Trockenes Bad« für eine Leibesvisitation scheint mir besonders passend.
    Burkitt steckte sich den Pfefferminzbonbon in den Mund, stieß mich leicht an der Schulter und hielt es nicht für nötig, mich aufzuklären. Während wir gingen, blieb er dicht hinter mir undsagte: »Ihr Schwulen habt es bequem hier drinnen, was? Viel zu ficken.« Sein Mund war so nah an meinem Ohr, dass ich den süßen Pfefferminzgeruch seines Atems riechen konnte. Ach so, dachte ich, daher kommt sein Ruf: Er weiß, dass wir vom Gefängnistabak einen Geschmack und ein Gefühl im Mund haben wie das Hinterteil eines rauhaarigen Hundes, und deshalb quält er uns mit der Pfefferminzfrische.
    Wir verließen Block D, gingen einen langen Korridor entlang, durch mehrere verschlossene Türen, hinaus auf den Hof, durch ein verschlossenes Tor und an einen unglaublichen Ort: den Krankenhausflügel. Ich hatte Gerüchte über die Existenz dieses sauberen neuen Gebäudes gehört und kannte Männer, die für einen kurzen Aufenthalt dort alles versucht haben – einschließlich ihre eigenen Arme in der Küche mit heißem Öl zu verbrennen.
    Sobald wir in die weißen Wände hineingingen, schlug mir der Geruch von frischem Putz entgegen. Nach dem Gestank von gekochtem Kohl und altem Schweiß Hunderter verängstigter, ungewaschener Männer, der im Gefängnis herrschte, trieb mir dieser neue Geruch Tränen in die Augen. Es roch fast wie Brot. Ich fragte mich kurz, wie eine frisch verputzte Wand wohl schmecken würde, wenn ich daran leckte. Außerdem war alles heller. Den ganzen Korridor entlang waren große Fenster, sodass alles lichtdurchflutet war.
    Burkitt stieß einen Finger zwischen meine Schulterblätter. »Nach oben.«
    Oben an der Treppe war eine Tür mit der Aufschrift dr. r. a. RUSSELL in moderner silberner Schrift. Burkitt wickelte noch einen Pfefferminzbonbon aus und begann zu lutschen, starrte mich dabei die ganze Zeit an. Dann klopfte er an die Tür.
    »Herein.«
    Ein Feuer prasselte im Kamin. Unter meinen Füßen war ein neuer Teppich. Obwohl es ein dünnes, synthetisches abscheulichesDing war – farbige Würfel auf königsblauem Untergrund –, war das Gefühl unter meinen Stiefeln wunderbar. Als ich da stand, kam es mir plötzlich vor, als würde ich vom Boden abheben.
    Hinter einem Schreibtisch stand ein Mann auf. »Patrick Hazlewood?«
    »Ja.«
    »Ich bin Dr. Russell.«
    Er konnte nicht älter als achtundzwanzig sein. Grübchen an den fleischigen Wangen. Trug einen eckigen Blazer, offen. Um die füllige Mitte ein ganz neu aussehender Gürtel, der ins Fleisch schnitt. Er sah überhaupt nicht bedrohlich aus, aber ich hatte immer noch keine Ahnung, zu welcher Art von Behandlung ich geschickt worden war.
    »Danke, Burkitt«, sagte er und strahlte den missmutig dreinblickenden Schließer an.
    »Bin schon draußen«, sagte Burkitt und schlug die Tür zu.
    Russell sah mich an. »Setzen Sie sich.«
    Dieser Befehl kam unerwartet. Wahrscheinlich verleitet durch den Teppich, das Kaminfeuer und Russells Schuljungenwangen hatte ich beinahe das Wort »bitte« erwartet.
    Er selbst setzte sich in den ledernen Bürosessel und nahm einen Füllfederhalter. Trotz der Bequemlichkeiten, die das Zimmer bot, war meine Sitzgelegenheit der übliche Holzstuhl. Er musste gesehen haben, dass ich enttäuscht darauf blickte, denn er sagte: »Darum kümmere ich mich gerade. Lächerlich, von jemandem zu erwarten, dass er frei spricht, wenn er auf einem Schulstuhl hockt. Niemand erzählt Lehrern Geheimnisse, was?«
    Natürlich, dachte ich. Er ist der Psychiater. Ich entspannte mich ein bisschen. Ich habe nie geglaubt, dass sie irgendein »Heilverfahren« anzubieten haben, aber ich bin immer neugierig gewesen, wie es sein würde, einen aufzusuchen.
    »Also. Wir fangen damit an, dass Sie mir erzählen, wie es Ihnen im Augenblick geht.«
    Ich sagte nichts. Ich war versunken in den Druck, der über seinem Schreibtisch hing: Matisse’ »La Danse«, das erste Stück Kunst, das ich seit drei Monaten gesehen hatte. Die leuchtenden Farben erschienen in all ihrer Schönheit fast obszön.
    Russell folgte meinem Blick. »Schön, was?«, fragte er.
    Ich konnte eine volle Minute nicht sprechen. Er wartete, drehte seinen Füller wieder und wieder. Dann platzte ich heraus: »Haben Sie es, um Ihre Patienten zu quälen, damit Sie ein Geständnis ablegen?«
    Er schnipste einen eingebildeten Fussel von seinem Knie.

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