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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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Pensionierung stehen und verbringt die meiste Zeit des Tages damit, in der Ecke zu sitzen, »Ruhe« zu bellen und jede Bitte zurückzuweisen. Aber er ist ziemlich taub und der Lärm muss schon eine bestimmte Lautstärke erreichen, bevor er bellt. Deshalb könnendie Männer sich ziemlich frei miteinander unterhalten, solange sie dabei leise sprechen.
    Ein großer Teil der Arbeit besteht darin, die Lieferungen öffentlicher Büchereien zu bearbeiten. Wir bekommen immer den absoluten Bodensatz. In der gestrigen Lieferung zum Beispiel: ein Handbuch zur Wartung von Norton-Motorrädern aus den 1930ern, eine Geschichte des Dorfes Ripe, ein Buch über das Münzwesen des Nahen Ostens, ein anderes über die Kleidung der Menschen in Lettland – und der einzige ein kleines bisschen interessante Band in der ganzen Menge: eine Biografie über Wilhelm von Oranien, geschrieben 1905.
    Mit mir in der Bibliothek ist Davies, ein großer, ruhiger Mann mit grauen Augen, der anscheinend wegen schwerer Körperverletzung an seiner Ehefrau hier ist. Unmöglich, sich jemanden vorzustellen, dem man so ein Verbrechen weniger zutrauen würde. Aber man lernt, einen Mann nicht zu genau danach zu fragen, wofür er verurteilt wurde. Außerdem ist Mowatt mit mir da, ein blonder, junger Mann, übersät mit Sommersprossen. Hat die Angewohnheit, sich bei der Arbeit die Lippen zu lecken. Mowatt war im Erziehungsheim wie so viele hier. Redet viel über seinen nächsten großen Einbruch, den er ein Kinderspiel nennt. Er geht, als wären seine Füße zu groß, hebt sie hoch und setzt sie so vorsichtig wieder ab, dass man ihm einen Arm anbieten möchte.
    Gestern sagte Mowatt nichts, als wir unsere Bücherlieferung durchsahen. Zuerst war ich froh, von seinen üblichen Fantasien verschont zu bleiben. Wie er nach seiner Entlassung »mit der tollen Tussi zusammen sein« würde, die auf ihn wartete, und Tonnen von Geld, die er »in Spanien für ein neues Leben gebunkert« hatte, verjubeln würde. Aber später merkte ich, dass seine Hände an den Buchrücken mehr als sonst zitterten und dass er ging, als wären seine Füße nicht nur zu groß, sondern auch unglaublich schwer. Schließlich brachte Davies Licht in die Sache. »Familienbesuch«, flüsterte er.»Morgen. Er hat genug gespart für ein bisschen Haaröl, aber er macht sich Sorgen wegen seiner Stiefel, wie die aussehen. Ich hab’s ihm gesagt. Meine kriegt er nicht. Die krieg ich nie wieder.«
    Also zog ich heute Morgen, als wir nebeneinander am Tisch in der Bibliothek saßen, meine Stiefel aus, die ich nicht zugemacht hatte, und stieß sie in Mowatts Richtung. Keine Reaktion. Also schob ich ein veraltetes Theologiebuch zu ihm, stieß ihn dabei absichtlich mit einer Ecke in die Rippen. »He!«, entfuhr es ihm, sodass O’Brien aufsah. Aber ich legte meine Hand auf seine, ganz behutsam, um ihn zum Schweigen zu bringen, und der taube alte Schließer zog es vor, uns nicht zu beachten.
    Mowatt sah auf meine Hände, einen Moment sprachlos. Ich wies unter den Tisch und suchte mit dem Fuß nach seinem Stiefel. Gleich darauf verstand er, worum es ging. Er sah mich mit solcher Wärme in den Augen an, dass ich beinahe lachte. Beinahe hätte ich den Mund geöffnet und in dem stinkenden, kalten Raum zwischen den nutzlosen, vergessenen Büchern gebrüllt vor Lachen.
    Wieder ein Besuch in Russells warmem Heiligtum.
    »Warum beginnen wir nicht damit, dass Sie mir etwas über Ihre Kindheit erzählen?«
    »Ich dachte nicht, dass Psychiater das wirklich fragen würden.«
    »Fangen Sie an, wo Sie wollen.«
    Mein erster Impuls war, mir etwas auszudenken.
Im Alter von neun wurde ich von meinem russischen Onkel über dem Schaukelpferd brutal missbraucht, und seitdem fühle ich mich zu anderen Männern hingezogen, Doktor. Oder: Meine Mutter zog mir geblümte Kittel an und legte Rouge auf meine Wangen auf, als ich fünf war, und seitdem habe ich das Bedürfnis, einen starken Mann in mein Bett zu bekommen, Doktor.
Aber stattdessen erzählte ich ihm so etwas wie die Wahrheit: dass ich eine glückliche Kindheit hatte. Keine Brüderoder Schwestern, die mich von meinem hohen Ross herunterholten. Ich spielte viele idyllische Stunden lang im Garten (mit einer Matrosenpuppe namens Hops, aber nichtsdestoweniger draußen). Mein Vater war meistens nicht da, wie viele Väter, aber nicht übermäßig geheimnisvoll oder verletzend trotz seiner späteren Affären. Mutter und ich kamen immer gut miteinander aus. Immer wenn ich von der Schule zu

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