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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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Frau war die einzige Verbindung zu Tom, an dessen absolutes Schweigen ich kaum denken konnte. Seit meiner Verhaftung hatte ich nicht ein Wort von ihm gehört. Zuerst hatte ich beinahe gehofft, er würde hier in Scrubs auftauchen, um seine Strafe abzusitzen, nur damit ich ihn wiedersehen konnte.
    Wenn sie kommt, kommt er vielleicht auch. Oder vielleicht überbringt sie eine Nachricht von ihm.
    Der Gerichtssaal war klein und stickig, ohne die Schnörkel, die ich erwartet hatte. Mehr wie eine Aula als ein ehrwürdiges Gericht. Die Verhandlung wurde damit eröffnet, dass die Zuschauer auf der Besuchertribüne gewarnt wurden, dass das Prozessmaterial zum Teil anstößig für Damen wäre, die vielleicht lieber gehen wollten. Jede machte sofort einen Satz zur Tür. Nur eine blickte leicht beschämt. Der Rest errötete bis zum Haaransatz.
    Als der Ankläger, Jones – Labradoraugen, aber die Stimme einer Bichon-Frisé-Hündin – die Anklage gegen mich vortrug, stand Coleman zitternd im Zeugenstand und sah mich nicht ein einziges Mal an. In dem blauen Flanellanzug sah er älter aus als bei unserer letzten Begegnung. Als er ins Kreuzverhör genommen wurde, wurde – mir zumindest – klar, dass er etwas behauptete, um sich aus Schwierigkeiten herauszumanövrieren. Er gab zu, an einem kleinen Diebstahl beteiligt gewesen zu sein. Aber selbst diese Erkenntnis weckte mich nicht aus meiner Benommenheit. Alle im Gerichtssaal schienen nur der Form halber zu verhandeln. Die Polizisten gähnten gelegentlich, der Richter sah ungerührt zu und mit mir war es nicht anders. Ich stand im Angeklagtenstand und war mir die ganze Zeit der Anwesenheit des uniformierten Mannes bewusst, der hinter mir saß und geistesabwesend an seinen Fingernägeln kaute. Ich ertappte mich dabei, dass ich mehr auf das Geräusch des Speichels in seinem Mund achtete, während er sie herunternagte, als auf den Fortgang des Gerichtsverfahrens. Immer wieder sagte ich mir: In wenigen Augenblicken werde ich das Urteil bekommen. Wird über meine Zukunft entschieden. Aber irgendwie konnte ich nicht begreifen, was mit mir geschah.
    Dann wurde alles anders. Mein Verteidiger, der liebenswürdige, aber unfähige Mr Thompson, begann mit seiner Verteidigung. Und er rief Marion Burgess.
    Ich war darauf vorbereitet. Thompson hatte mich gefragt, wen ich als Leumundszeugen empfehlen würde. Er hatte mich früh daraufhingewiesen, dass auf meiner Liste niemand stand, der sowohl weiblich als auch verheiratet war. »Kennen Sie keine richtig langweiligen Damen?«, fragte er. »Bibliothekarinnen? Oberinnen? Lehrerinnen?«
    Mir blieb nichts anderes übrig, als Marion zu nehmen. Und ich rechnete nicht damit, dass sie riskieren würde, mich zu denunzieren, weil es ihrem Mann schaden würde und in der Folge auch ihr selbst, selbst wenn sie die Wahrheit über meine Beziehung zu Tom kannte. Er hatte mir immer versichert, dass sie nichts wüsste, aber nach meiner Einschätzung war sie zu schlau, um so lange nichts zu bemerken.
    Sie trug ein blassgrünes Kleid, das ihr zu weit war. Sie hatte abgenommen, seitdem ich sie das letzte Mal gesehen hatte, was ihre Größe betonte. Ihre roten Haare waren in eine starre Form gebracht. Sie stand ganz gerade und umklammerte ein Paar weiße Handschuhe, als sie sprach. Ich konnte sie kaum verstehen, als sie die üblichen formalen Aussagen machte – den Eid ablegte, ihren Namen, ihren Beruf nannte. Dann wurde sie gefragt, in welcher Eigenschaft sie den Beschuldigten kannte.
    »Mr Hazlewood war so freundlich, meine Schüler zu einem Kunsterziehungs-Nachmittag ins Museum einzuladen«, sagte sie aus. Und plötzlich war es nicht mehr ihre eigene Stimme. Vermutlich hatte das Unterrichten längst die Kanten ihres Brightoner Akzents abgeschliffen – der nicht annähernd so ausgeprägt ist wie Toms –, aber in dem Zeugenstand klang sie, als wäre sie in Roedean zur Schule gegangen.
    Sie bestätigte, dass ich meine Pflichten gewissenhaft erfüllt hätte, sie würde nicht zögern, mich wieder zu besuchen. Ich wäre absolut nicht die Art Mann, die man normalerweise bei Handlungen grober Unzucht auf einer öffentlichen Toilette erwischen könnte. Dann stand der Ankläger auf und fragte Mrs Burgess, ob sie den Angeklagten noch anders als beruflich kannte.
    Ein Anflug von Besorgnis huschte über ihr sommersprossiges Gesicht. Sie sagte nichts. Ich wollte sie dazu zu bringen, mich anzusehen. Wenn sie mich nur ansehen würde, könnte ich sie vielleicht mit meinem Blick

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