Der Liebhaber meines Mannes
sofort.
Februar 1958. Den ganzen Schultag saß ich so nah wie möglich am Heizkessel. Auf dem Spielplatz schnauzte ich die Kinder an, sich gefälligst zu bewegen. Die meisten von ihnen hatten keine anständigen Mäntel und ihre Knie waren rot vor Kälte.
Zu Hause hatten Mum und Dad angefangen, über Tom zu reden. Ich hatte ihnen von unserem Besuch im Museum, unseremAusflug nach London und all den anderen Ausflügen erzählt, weißt du, aber nicht erwähnt, dass Tom und ich nicht allein waren. »Geht ihr nicht zusammen tanzen?«, fragte Mum. »Hat er dich noch nicht mit ins Regent genommen?«
Aber Tom hasste Tanzen, das hatte er mir zu Anfang gesagt, und ich hatte mir eingeredet, dass wir eine besondere Beziehung hatten, weil sie anders war. Wir waren nicht wie andere Paare. Wir lernten uns kennen. Führten richtige Gespräche. Und da ich gerade einundzwanzig geworden war, fand ich mich ein bisschen zu alt für den Teenagerkram, Jukeboxes und Jive.
Einen Freitagabend, an dem ich nicht nach Hause gehen und der unausgesprochen über dem Haus hängenden Frage nach Toms Absichten, was mich betraf, begegnen wollte, blieb ich lange im Klassenzimmer und fertigte Arbeitsbögen für die Kinder zum Ausfüllen an. Unser Thema war zu der Zeit Könige und Königinnen von England. Ich fand es allmählich ziemlich langweilig und wünschte, ich hätte Arbeitsbögen über den Sputnik oder die Atombombe oder irgendetwas gemacht, das die Kinder zumindest ein bisschen spannend finden würden. Aber da war ich jung und machte mir Gedanken, was der Rektor denken würde, also war das Thema Könige und Königinnen. Viele Kinder hatten noch damit zu kämpfen, die einfachsten Wörter zu lesen, während andere wie Caroline Mears bereits die Grundzüge der Zeichensetzung begriffen. Die Fragen waren direkt und die Kinder hatten viel Platz zum Ausfüllen oder ihre Antworten zu zeichnen, so detailliert, wie sie nur wollten: »Wie viele Ehefrauen hatte Heinrich VIII? Kannst du ein Bild vom Tower in London malen?«, und so weiter.
Der Boiler war ausgegangen und selbst in meiner Ecke im Klassenzimmer war es kalt, deshalb wickelte ich mir den Schal um Hals und Schultern und setzte meine Pudelmütze auf, um mich warm zu halten. Ich liebte es, um diese Tageszeit im Klassenzimmer zu sein, wenn alle Kinder und die anderen Lehrer nach Hause gegangenwaren und ich die Stühle ordentlich unter die Tische geschoben, die Tafel abgewischt und die Kissen in der Vorleseecke aufgeschüttelt hatte, bereit für einen neuen Tag. Es war dann so ruhig und still, abgesehen vom Kratzen meines Füllfederhalters, und der ganze Raum schien weich gezeichnet, wenn es draußen dämmerte. Ich hatte das wunderbare Gefühl, flott und gut organisiert zu sein, eine Lehrerin, die den Unterricht im Griff hatte, vollkommen vorbereitet war auf die vor ihr liegende Arbeit. In diesen Momenten, wenn ich allein an meinem Pult saß, umgeben von Staub und Stille, redete ich mir ein, dass die Kinder mich mochten. Einige von ihnen, dachte ich, liebten mich vielleicht sogar. Hatten sie sich nicht immerhin am Tag gut benommen? Und endete nicht mittlerweile jeder Tag mit einer erfolgreichen Vorlesestunde, in der ich laut aus »Die Wasserkinder« vorlas und die Kinder mit gekreuzten Beinen auf dem Teppich um mich herumsaßen? Natürlich gab es einige (Alice Rumbold war eine davon), die herumzappelten, sich gegenseitig die Haare flochten oder an den Warzen an ihren Fingern herumpulten (ich denke an Gregory Sillcock), aber andere waren offensichtlich gefesselt von meiner Erzählung, sperrten Mund und Augen auf. Caroline Mears setzte sich an meine Füße und sah mich an, als hätte ich den Schlüssel zu einem Königreich, in das sie gerne hineingelassen werden wollte.
»Hättest du nicht schon längst nach Hause gehen sollen?«
Ich sprang auf. Julia Harcourt stand in der Tür und sah auf ihre Armbanduhr. »Du wirst eingeschlossen, wenn du nicht aufpasst. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber eine Nacht mit der Tafel wäre nicht nach meinem Geschmack.«
»Ich gehe gleich. Mach nur noch einige Dinge fertig.«
Ich war auf die Antwort vorbereitet:
Ist nicht Freitagabend? Solltest du dich nicht fertig machen, um mit deinem Freund ins Kino zu gehen?
Aber stattdessen nickte sie und sagte: »Eiskalt, nicht?«
Mir fiel die Pudelmütze ein und meine Hand schnellte an den Kopf.
»Du hast es richtig gemacht«, fuhr Julia fort. »Es ist hier im Winter wie in einem Kühlschrank. Manchmal schmuggle ich
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