Der Liebhaber meines Mannes
wirkt Wunder.«
Sie lachte. »Du warst immer oberschlau. Soll ich dir Toast machen?«
»Ist das alles, was es gibt?«
»Ich wusste nicht, dass du kommst – sie hat nichts gesagt.«
»Ich hab ihr nichts gesagt.«
Es trat eine Pause ein. Nina sah auf die Uhr. »Ei und Speck?«
»Spitze.« Bei Nina greife ich immer auf den Jungsjargon zurück.
Ich nahm mir eine Banane aus dem Früchtekorb auf der Anrichte und setzte mich an den Küchentisch, um zuzusehen, wie Nina etwas zusammenbrutzelte. Ei und Speck bedeutete bei Nina nicht einfach nur Ei und Speck. Es bedeutete gegrillte Tomaten, geröstetes Brot, möglicherweise pikante Hammelnierchen.
»Gehst du nicht zu ihr rein?«
»Gleich. Was hast du mit ›abwesend‹ gemeint?«
»Du weißt schon. Nicht sie selbst.«
»Ist sie krank?«
Nina legte drei Scheiben Speck unendlich behutsam in eine Pfanne. »Du solltest öfter kommen. Sie vermisst dich.«
»Ich hatte zu tun.«
Sie schnitt zwei Tomaten in Hälften und legte sie unter den Grill. Eine Pause, dann sagte sie: »Dr. Shire sagt, es ist nichts. Das Alter, das ist alles.«
»Der Doktor war hier?«
»Er sagt, es ist nichts.«
»Wann war der Doktor hier?«
»Letzte Woche.« Sie schlug zwei Eier in die Pfanne, ohne einen Tropfen zu verschütten. »Geröstetes Brot?«
»Nein danke. Warum hat sie mir nichts gesagt? Warum hast du mir nichts gesagt?«
»Sie wollte kein Aufheben machen.«
»Aber ich verstehe nicht. Was ist mit ihr?«
Nina richtete das Essen auf dem Teller an und sah mich an. »Es ist etwas passiert, Patrick. Letzte Woche. Wir spielten gerade Scrabble und da sagt sie zu mir: ›Ich kann die Wörter nicht sehen.‹ Und sie war vollkommen panisch.«
Ich starrte sie an, konnte nicht antworten.
»Ich dachte, dass sie vielleicht am Abend vorher ein paar Gläser zu viel getrunken hätte«, fuhr Nina fort. »Du weißt, wie sie ihren Wein liebt. Aber gestern ist es wieder passiert. Diesmal die Zeitung.›Es ist alles verschwommen‹, sagt sie. Ich sagte zu ihr, die Schrift wäre komisch, aber ich glaube nicht, dass sie es mir abgenommen hat.«
»Der Doktor muss noch einmal kommen. Ich werde ihn anrufen, heute Nachmittag.«
Als Nina mich ansah, hatte sie Tränen in den Augen. »Das wäre gut. Iss jetzt deinen Lunch«, sagte sie. »Sonst wird es kalt.«
Ich brachte Mutter ihren mit Käse überbackenen Toast in den Wintergarten. Dort war es warm von der Sonne und ich konnte die Erde des großen Farns im Kübel neben der Tür riechen. Sie schlief in ihrem Korbsessel – ihr Kopf war nicht heruntergefallen, aber schräg zur Seite gelehnt, wie ich es kannte. Sie rührte sich nicht, deshalb stand ich einen Augenblick und sah hinaus in den Garten. Einige Rosen hielten noch durch und ein paar vertrocknete violette Chrysanthemen waren noch da, aber insgesamt wirkte es kahl. Wir zogen hierher, als ich sechzehn war, deshalb fühle ich mich dem Haus nicht besonders verbunden. Es war Vaters Art, neu anzufangen nach dem Vorfall mit dem Mädchen, das bei seinem Schneider arbeitete und das er leichtsinnigerweise schwängerte. Mutter weinte eine Woche lang und als Abbitte erlaubte er ihr, zurück nach Surrey zu ziehen.
Sie bewegte sich. Mein Seufzen hat sie vielleicht aufgeschreckt.
»Tricky.«
»Hallo, Mutter.«
Ich beugte mich herunter und küsste ihr Haar. Sie griff mir mit der Hand an die Wange. »Hast du gegessen?«
»Nina sagt, du wärst abwesend gewesen.«
Mit einem abwehrenden »Unsinn« ließ sie meine Wange los. »Lass dich ansehen.«
Ich stand vor ihr, mit dem Rücken zum Garten.
Sie setzte sich in ihrem Sessel auf. Ihre Haut ist noch nicht sofaltig, wie es bei einer Fünfundsechzigjährigen zu erwarten wäre, und ihre grünen Augen sind klar. Ihre Haare, die sie hochgesteckt trägt, sind immer noch dick, aber jetzt mausgrau. Sie hatte wie üblich die Rubin-Halskette um. Ihre Sonntagsjuwelen. Sie gingen immer zur Kirche, dann Drinks, gefolgt von Lunch mit Freunden und Nachbarn. Damals hasste ich das alles, aber in dem Moment hatte ich Sehnsucht nach dem Klirren von Eis in Gin, dem Geruch von Lammbraten, dem Gemurmel der Leute, die sich im Wohnzimmer unterhielten. Jetzt ist es Käsetoast mit Nina.
»Du siehst gut aus«, sagte sie. »So gut wie schon lange nicht mehr. Habe ich recht?«
»Das hast du doch immer.«
Das ignorierte sie. »Schön, dich zu sehen.«
Ich stellte das Tablett mit ihrem Lunch auf den Tisch vor ihr.
»Mutter, Nina sagt, dass du abwesend gewesen bist …«
Sie winkte ab,
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