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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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sagte er, »es ist spät …«
    »Er hat nach dir gefragt. Vor ein paar Tagen. Er hat deinen Namen gesagt.«
    Tom sah auf den beigefarbenen Teppich. »Nein. Das hat er nicht.«
    »Wie willst du das wissen?«
    »Er hat nicht meinen Namen gesagt.«
    »Ich hab es gehört, Tom. Er hat dich gerufen.«
    Tom atmete aus, schüttelte den Kopf. »Er hatte zwei schwere Schlaganfälle, Marion. Der Doktor hat gesagt, es ist nur eine Frage der Zeit, bevor er noch einen bekommt. Der Mann kann nicht sprechen. Er wird nie wieder sprechen. Das bildest du dir ein.«
    »Es gab einen echten Fortschritt«, sagte ich und war mir bewusst, dass ich übertrieb. Schließlich hattest du kein Wort von dir gegeben, seitdem du Toms Namen ausgestoßen hattest. »Er braucht einfach Ermutigung. Er braucht Ermutigung von dir.«
    »Er ist fast achtzig.«
    »Er ist sechsundsiebzig.«
    Tom sah mich direkt an. »Darüber haben wir schon gesprochen. Ich weiß überhaupt nicht, warum du ihn hierher gebracht hast. Und ich weiß nicht, welchen seltsamen Plan du verfolgst.« Er lachte kurz auf. »Wenn du Krankenschwester spielen willst, schön. Aber erwarte nicht, dass ich dabei mitmache.«
    »Er hat niemanden«, sagte ich.
    Es herrschte lange Schweigen. Tom löste die verschränkten Arme und fuhr sich mit der Hand übers müde Gesicht. »Ich gehe jetzt ins Bett«, sagte er leise.
    Aber ich machte blindlings weiter. »Er hat Schmerzen«, sagte ich, meine Stimme schwankte jetzt. »Er braucht dich.«
    Tom blieb an der Tür stehen und drehte sich zu mir um, seine Augen glühten vor Wut. »Er hat mich vor Jahren gebraucht, Marion«, sagte er. Und er verließ das Zimmer.
    Frühsommer 1958. Es war schon warm. In der Schule wurde der Geruch von warmer Milch penetrant und die Mittagsruhe der Kinder war angenehm, selbst für mich, weil alle schläfrig waren. Deshalb ergriff ich die Gelegenheit, als Julia vorschlug, mit unserenbeiden Klassen einen Ausflug nach Woodingdean zu machen. Der Schulleiter stimmte einem Freitagnachmittag zu. Wir mussten den Bus nehmen und dann zu Fuß nach Castle Hill gehen. Wie die meisten Kinder war ich noch nie dort gewesen und der Gedanke an eine Abwechslung von der gewohnten Schulroutine war für mich genauso aufregend wie für sie. Wir verbrachten die ganze Woche damit, Bilder von den Pflanzen und der Tierwelt zu zeichnen, die wir sehen würden – Feldhasen, Lerchen, Stechginster –, und ich schaffte es, dass alle Kinder lernten, wie man die Wörter Günsel, Orchidee und Schlüsselblume buchstabiert. Ich muss zugeben, Patrick, dass ich dabei größtenteils durch Dinge inspiriert war, auf die du Tom und mich auf unseren Spaziergängen auf der Isle of Wight aufmerksam gemacht hast.
    Wir verließen die Schule ungefähr um halb zwölf. Die Kinder hielten ihre Sandwichdosen umklammert und gingen immer zu zweit hintereinander, Julia vorne und ich am Ende. Es war ein herrlicher Tag, windig, aber warm und die Rosskastanien streckten uns ihre Kerzen entgegen, als der Bus über die Rennbahn Richtung Woodingdean fuhr. Milly Oliver, dem ruhigen, ziemlich dürren Mädchen mit den dicken schwarzen Locken, von dem ich an meinem ersten Tag kaum den Blick wenden konnte, war schon schlecht, bevor wir die Downs überhaupt erreicht hatten. Bobby Blakemore, der Junge mit der Tolle in der Stirn, saß ganz hinten im Bus und streckte den vorbeifahrenden Autofahrern die Zunge heraus. Alice Rumbold sprach den ganzen Weg laut von dem neuen Motorrad, das sich ihr Bruder gekauft hatte, obwohl Julia sie einige Male mit einem Pst! zum Schweigen brachte. Aber die meisten Kinder waren still vor Erwartung, schauten aus dem Fenster, als wir die Stadt hinter uns ließen und die Hügel und das Meer zu sehen waren.
    Wir stiegen alle an einer Bushaltestelle am Rande des Dorfes aus und Julia führte uns über die Downs. Sie war immer so energiegeladen. Damals fand ich ihre grenzenlose Energie ein bisschen einschüchternd,aber heutzutage sehne ich mich eher danach. Sie würde dich im Handumdrehen baden, Patrick. An dem Tag trug sie eine Hose aus Twill, einen leichten Pullover und feste Schuhe, aber um ihren Hals hing eine Kette aus hellroten Perlen und auf der Nase hatte sie eine große Hornsonnenbrille. Eine Schar Kinder folgte ihr und ich bemerkte, dass sie jede Gelegenheit nutzte, um sie zu berühren. Sie gab ihnen einen Klaps auf die Schulter, steuerte sie in die Richtung, die sie wollte, indem sie eine Hand flach auf ihren Rücken legte, oder kniete sich hin, sodass sie

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