Der Lilienpakt
Warum war er also hier?
»Ich schwöre, ich habe keine Nachricht geschickt«, gab ich leise zurück, während mein Herz raste. »Ich hätte nicht einmal die Möglichkeit dazu gehabt, da Eure Diener ja ständig unterwegs sind. Außerdem weiß ich nicht einmal genau, wo wir sind.«
Aramitz schnaufte, dann ließ er Jules wieder los. »Schlimmstenfalls weiß die Schwarze Lilie nun, wo sie uns finden kann.«
»Aber ich habe doch nicht …«, stammelte Jules.
»Ich fürchte, die Schwarze Lilie hat ihm diesen Hinweis gegeben«, warf Nancy ein, der nun näher gekommen war.
Aramitz’ Hand schnellte erneut nach vorn, um Jules zu packen. Ich hielt ihn zurück. »Wer hat dir die Nachricht gegeben?«, fragte ich dann.
»Monsieur Ismael. Der Schreiber. Er sagte, sie sei ihm heute Morgen von einem Reiter überbracht worden.«
Der Fechtmeister blickte zu Aramitz.
Was, wenn Ismael mit der Schwarzen Lilie unter einer Decke steckte? Wenn sie mir bereits so nahe gewesen war?
»Das ergibt alles keinen Sinn«, murmelte Aramitz finster. »Es sei denn …«
Sein Blick fiel auf die Diener. Diese blickten ihn verständnislos an. Plötzlich stürzte sich Aramitz auf Pascal. »Du warst in der Stadt!«
Der Diener schrie auf und versuchte sich zu wehren, doch er hatte gegen seinen Herrn keine Chance. Blitzschnell schlitzte ihm dieser mit dem Dolch das Wams auf.
Ich sog scharf die Luft ein, als ich die schwarze Lilie auf seiner Brust sah. Sie konnte noch nicht vor allzu langer Zeit eingebrannt worden sein, denn an den Rändern war sie noch rosa. Ich wusste, dass Brandwunden Narben hinterließen, die nur langsam heilten.
Augenblicklich wurden Pascals Augen zu schmalen Schlitzen.
»Verflucht sollt Ihr sein! Die Bruderschaft weiß alles und wird sich das Mädchen schon bald holen.«
Aramitz, der um Fassung rang, setzte ihm das Messer an die Kehle.
»Das werden wir ja sehen. Spuck aus: Wer hat dich angeworben und was für einen Preis hat man dir gezahlt?«
»Eher sterbe ich! Ihr habt den König verraten, indem Ihr diesem Bastard helft!«
Aramitz holte aus und versetzte seinem Diener eine Ohrfeige. »Ich sage es dir nicht noch einmal. Sag mir, wer dich angeworben hat!«
Zu spät erkannte ich, dass der Diener an irgendetwas herumnestelte. Plötzlich hatte er ein Fläschchen in der Hand. Ehe Aramitz etwas dagegen tun konnte, schüttete er sich den Inhalt in den Mund.
»Nein!«, schrie der Musketier auf, doch da war es schon zu spät. Gierig schluckte der Diener die Flüssigkeit hinunter. Ich ahnte, worum es sich dabei handelte.
»Ihr werdet mich nicht mehr foltern können!«, rief er siegessicher.
Aramitz warf den Dolch weg, drehte den Burschen auf den Rücken und zog seinen Kopf hoch. Ich dachte zunächst, er wollte ihm das Genick brechen, doch er schob seine Finger gewaltsam zwischen Pascals Lippen und versuchte ihn zum Erbrechen zu bringen. Der Diener würgte tatsächlich, doch das Gift kam nicht hoch. Nach einer Weile begann er unkontrolliert zu zucken. Würgende Geräusche drangen aus seiner Kehle. Als Aramitz ihn entsetzt wieder umdrehte, stand Schaum auf Pascals Lippen. Es sah aus, als hätte er die Tollwut.
»Wasser!«, rief er Dominik zu. »Holt Wasser!«
Doch es war zu spät. Von Pascals Augen war nur mehr das Weiße zu sehen, und das Zucken seines Leibes verebbte.
Obwohl sein Diener ihn verraten hatte, blickte Aramitz entsetzt auf ihn hinab.
»Diese verfluchten Halunken«, murmelte er dann. »Jetzt verführen sie auch schon halbe Kinder dazu, ihnen zu dienen.«
Wie alt mochte Pascal gewesen sein? Zwanzig? In meinen Augen also kein Kind mehr, aber offenbar hatte Aramitz sich für ihn verantwortlich gefühlt.
»Sebastian, öffne dein Hemd«, sagte er unvermittelt.
Der Diener, der immer noch fassungslos dreinblickte, kam seinem Befehl umgehend nach. Seine Brust war makellos weiß.
»Und jetzt du!«
Dominik riss sich ebenfalls das Hemd auf. Auch er war kein Mitglied der Schwarzen Lilie.
»Und jetzt du, Bursche!«
Jules schreckte zusammen. »Ich? Haltet Ihr mich etwa für jemanden, der zur Schwarzen Lilie gehört?«
»Dein Herumgerede lässt den Verdacht aufkommen«, brummte Aramitz ungeduldig. »Also, was ist nun, ziehst du dein Hemd aus oder soll ich dich prügeln?«
Jules beeilte sich, die Knöpfe seines Wamses zu öffnen und sein Hemd aufzureißen. Seine Haut darunter war makellos weiß. Nur ein kleines Muttermal trug er über dem Herzen, aber das hatte ihm ein Engel geschenkt und nicht das Brenneisen der
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