Der Lilienpakt
Aramitz Jules gegeben hatte. Während des gesamten Nachmittags hatte der Musketier mich beobachtet, und Jules und ich hatten keine Möglichkeit gehabt, allein miteinander zu reden. Ich wusste, dass Aramitz Jules misstraute, aber ich wusste ganz sicher, dass er kein Verräter war.
Leise öffnete ich die Kammertür.
Jules schreckte sogleich auf. Wie ich hatte er noch keinen Schlaf finden können.
»Was ist los?«, fragte er.
»Nichts. Ich wollte dich nur besuchen.«
Jules rieb sich die Augen und setzte sich auf. Das Bettgestell knarrte leise, als ich mich auf die Bettkante setzte.
Amüsiert stellte ich fest, dass sich Jules an das Kopfende zurückzog.
»Bitte verzeih, dass ich dir so viel Ärger bereite.«
Jules schüttelte den Kopf. »Den Ärger bereitest nicht du mir, sondern die Schwarze Lilie. Ich hätte wissen müssen, dass etwas faul an der Sache ist. Kaum zu glauben, dass auch der Schreiber zur Schwarzen Lilie gehört.«
»Wahrscheinlich hat man ihn in eurer Nähe postiert, weil ihr Kontakt mit meinem Vater hattet. Und mit anderen Musketieren.«
»Ja, das ist anzunehmen. Es ist ein Wunder, dass er nicht schon früher etwas bemerkt hat.«
»Wer weiß, vielleicht hat er das«, gab ich zurück. »Die Schwarze Lilie muss einen Grund gehabt haben, warum sie die Gruft meiner Eltern geöffnet hat.«
»Aber wie hätte er dich erkennen sollen?«
»Vielleicht ist er nicht wirklich blind. Und wenn doch, dann hat ihm sein Gehör gesagt, dass etwas mit mir nicht stimmt. Die Männer, die der Schwarzen Lilie dienen, sind nicht dumm. Wie du siehst, haben sie es sogar geschafft, Aramitz’ Diener anzuwerben.«
»Vielleicht wäre es besser gewesen, dich doch außer Landes zu bringen.«
»Wer weiß, vielleicht wird Aramitz das auch noch tun.« Ich verstummte und blickte verlegen auf die Bettdecke. »Weiß dein Vater, dass du mich besuchen wolltest?«
Jules schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe mich heimlich aus dem Haus gestohlen. Er hätte nie erlaubt, dass ich zu dir reite. Nicht nach allem, was vorgefallen ist. Den Tod von Athos pfiffen die Spatzen schon von den Dächern.«
»Dann wird es ein ziemliches Donnerwetter geben, wenn du wieder zurückkehrst.«
»Wahrscheinlich.« Der Anflug eines verschmitzten Lächelns trat auf sein Gesicht. »Aber dann kann ich meinen Enkeln erzählen, dass ihr Großvater einst ein Abenteuer bestanden hat.«
Ich sah ihn an, rutschte dann ein Stück höher und lehnte mich an seine Schulter. Würde Jules jemals Enkel haben, denen er es erzählen konnte? Wenn uns die Schwarze Lilie aufspürte, standen die Chancen ziemlich schlecht. Aber daran wollte ich jetzt nicht denken.
»Erlaubst du, dass ich heute bei dir bleibe?«
Jules errötete, nickte dann aber. »Natürlich. Doch bestimmt ist dein Bett besser als meines.«
»Aber du bist nicht darin«, entgegnete ich, kuschelte mich an ihn und schloss die Augen.
12
Noch vor dem ersten Hahnenschrei wurden wir von einem Poltern aus dem Schlaf gerissen.
»Hier seid Ihr!«, rief Aramitz ungehalten, nachdem er die Tür aufgerissen hatte. Offenbar hatte er schon eine ganze Weile nach mir gesucht.
Ich fuhr in die Höhe und sprang aus dem Bett. Obwohl wir nichts Verwerfliches getan hatten, wurde ich feuerrot.
Doch bevor ich eine Erklärung abgeben konnte, sagte er zu mir: »Geht in Euer Gemach und zieht Euch um. Es geht los.«
Ich blickte kurz zu Jules, traute mich aber nicht, ihm einen Kuss zu geben. Draußen vor der Tür wurde ich von Aramitz erwartet.
»In welcher Beziehung steht der Bursche zu Euch?«, fragte er.
»Ich denke, wir haben keine Zeit zu verlieren«, entgegnete ich, denn wie Jules zu mir stand, ging ihn nichts an.
»So viel Zeit haben wir noch. Also, was sind seine Absichten? Will er sich in ein gemachtes Nest setzen?«
Ich schnappte erschrocken nach Luft. »Natürlich will er das nicht! Er hat mir geholfen aus d’Autreville fortzukommen. Er war immer für mich da, hat mich mit Neuigkeiten versorgt und mir geholfen.«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage.« Aramitz griff nach meinem Arm.
Ich versteifte mich. »Wenn Ihr wissen wollt, was seine Absichten sind, müsst Ihr ihn selbst fragen«, fuhr ich den Musketier an. Er hatte kein Recht, sich wie mein Vater aufzuführen. »Ich mag Jules jedenfalls, ja vielleicht liebe ich ihn sogar. Darüber Bescheid zu wissen, ist nicht Eure Sache, oder doch?«
Aramitz verstärkte seinen Griff.
»Alles an Euch ist meine Sache. Und die des Lilienpaktes. Ihr mögt Euch wie ein
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