Der Lilienpakt
Berührung des kalten Metalls zog sich meine Haut zusammen.
»Ihr, Mademoiselle, habt sowohl einen Anspruch auf den französischen Thron als auch auf den englischen. Ihr seid sowohl Protestantin als auch Katholikin. Was nun, wenn solch ein Königskind den Lilienthron besteigen würde?«
Sein Atem strich über mein Gesicht. Wurde mir davon übel oder vom Inhalt seiner Worte? Ich weiß es nicht. Was der Mann redete, war blanker Wahnsinn. Ich auf dem Thron? Wie sollte das gehen? Und zu welchem Preis?
Davon abgesehen wollte ich den Thron nicht. Ich wollte nur wieder frei sein und fechten. Und ich verspürte große Lust, diesem Schuft vor mir meine Klinge ins Herz zu stoßen. Für meine Familie. Für Athos, Aramitz, Nancy und Blanchet. Und für Jules, den ich wahrscheinlich niemals wiedersehen würde.
»Was wollt Ihr damit sagen?«, fragte ich, worauf er die Klinge von meinem Hals fortnahm.
»Nur dass es doch sein könnte, dass das Land bald eine neue Königin braucht. Eine Königin, die Frankreich und England vereinen könnte. Eine Königin, die der Schwarzen Lilie verbunden ist.«
Ich glaubte mich verhört zu haben.
»Ich soll Euch verbunden sein?« Der Mann musste den Verstand verloren haben. »Und was ist mit meinen Eltern? Und meinen Freunden? Einen nach dem anderen habt Ihr abgeschlachtet!«
Der Mann winkte ab, als sei das alles eine Lappalie gewesen.
»Es ist nicht gut für einen Herrscher, zu viele persönliche Verbindungen zu haben. Das hat bereits der große Kardinal erkannt. Ihr werdet neue Freunde haben, und Eure Familie werden wir sein. Eine wirkungsvolle Familie, das könnt Ihr mir glauben.«
Ich stieß ein böses Lachen aus. Meine Stimme klang rau, ja geradezu fremd in meinen Ohren. »Und Ihr glaubt wirklich, ich bin so dumm, das alles zu vergessen? Fahrt zur Hölle, wer auch immer Ihr seid! Ich werde ganz sicher nicht bei Euren Spielchen mitmachen. Ich wollte den Thron nie und ich werde ihn auch nicht besteigen.«
Der Mann vor mir schnaufte. Noch immer konnte ich sein Gesicht nicht erkennen.
»Das werden wir ja sehen. Noch genießt Ihr meine Gastfreundschaft, aber das kann sich leicht ändern. Ihr habt eine Stunde Zeit, um Euch zu bedenken. Bleibt Ihr bei Eurer Ablehnung, werdet Ihr eine andere Bleibe bekommen.«
Meinte er damit einen Sarg? Panik stieg in mir hoch. Aber ich bemühte mich, keine Miene zu verziehen.
Noch lebe ich, sagte ich mir. Und ich werde einen Weg finden, hier hinauszukommen!
Der Mann betrachtete mich kurz, wahrscheinlich suchte er nach Anzeichen von Furcht in meinen Zügen. Ob er sie fand, wusste ich nicht, doch schließlich eilte er zur Tür. Ich hätte schwören können, unter seinem Mantel das Violett einer Bischofssoutane zu sehen.
Dem Türenknallen folgten Schritte, die sich durch einen Gang entfernten. Ich war sicher, dass vor der Tür Wachposten zurückgelassen worden waren.
Ich ruckelte wieder an meinen Fesseln. Doch je mehr ich meine Bemühungen verstärkte, desto fester wurden sie angezogen.
Als der Schmerz wieder nachließ, blickte ich mit brennenden Augen zum Fenster. Es dunkelte. Und meine Freunde lagen irgendwo in einem Waldstück im Schnee. Wahrscheinlich hatte man sie den Wölfen zum Fraß überlassen.
Als meine Gedanken schon nicht mehr finsterer werden konnten, öffnete sich erneut die Tür meines Gefängnisses. War bereits eine Stunde herum? Diesmal sah ich mich um.
Der Mann, der sich mir näherte, kam allein. Leise schloss er die Tür hinter sich. Irgendetwas an seinem Gang kam mir bekannt vor.
»Trotz allem habt Ihr immer noch Eure Schönheit. Wie ich sehe, habt Ihr auf Eurer Reise gut darauf achtgegeben.« Als der Mann die Kapuze vom Gesicht zog, wurde mir schwindelig. Nur gut, dass ich saß, sonst hätte mir die Überraschung wohl den Boden unter den Füßen weggezogen.
»Blanchet? Ihr?«
Der Mann mit den eisigen Augen nickte lächelnd.
»Aber ich habe Euch sterben sehen!«
Er stieß ein kurzes Lachen aus. »Wir Ihr seht, befinde ich mich bei bester Gesundheit. Es tut mir leid, dass ich Euch so ängstigen musste, Prinzessin.«
Mein Erstaunen verwandelte sich in Zorn. »Wie seid Ihr wiederauferstanden?«, fragte ich.
Blanchet lächelte kalt.
»Der Großmeister der Schwarzen Lilie kennt das Geheimnis von Leben und Tod. Ein Geheimnis, das aus der Neuen Welt stammt.«
»Welches Geheimnis?«
»Ihr werdet doch wohl nicht vorhaben, Euren Tod vorzutäuschen, oder?«, spottete Blanchet.
»Das habe ich keineswegs«, entgegnete ich kühl und
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