Der Lilienpakt
klang verschnupft. Weinte er etwa?
»Sei nicht albern«, entgegnete ich und löste mich aus seiner Umarmung, Sie war mir nicht unangenehm, aber seine Sorge erschien mir übertrieben. Wer von uns hatte den Fechtunterricht bekommen?
»Mir wird schon nichts geschehen, das verspreche ich dir. Du weißt, dass ich fechten kann. Und ich habe auch ein ausgezeichnetes Gehör. Ich höre, wenn sich uns jemand nähert. Außerdem werden sich die Männer nur schwerlich an mich erinnern können.«
Jules’ Augen waren gerötet und er zog die Nase hoch. Sein Anblick war so rührend, dass auch mir die Tränen kamen. Doch ich versagte es mir, diesem Gefühl nachzugeben. Ich war der Page eines Musketiers!
»Mir wird schon nichts geschehen. Du verstehst doch, dass ich wissen muss, was hinter dem Tod meiner Familie steckt. Wie könnte ich mich da verkriechen und zusehen, wie diese Leute ihr unheilvolles Werk fortsetzen? Du würdest deinen Vater doch auch rächen wollen, wenn ihm etwas geschähe.«
Jules nickte. Ich griff nach seiner Hand und hielt sie fest.
»Ich brauche deine Hilfe, Jules. Bitte halte die Ohren offen und erzähl mir alles, was du über die Schwarze Lilie hörst. Ich werde dir im Gegenzug alles berichten, was ich erfahre.«
Jules nickte, sagte aber nichts. Sein Gesicht wirkte sorgenvoll.
»Kann ich auf dich zählen?«
»Das kannst du«, antwortete er mürrisch. »Aber rechne nicht damit, dass ich dein Grab besuche. Das würde ich nicht ertragen.«
Ich barg seine Hand jetzt in meinen beiden Händen. »Du wirst nicht vor meinem Grab stehen müssen. Eines Tages werde ich in das Schloss meines Vaters zurückkehren, als Comtesse d’Autreville. Und wenn du willst, nehme ich dich mit.«
»Mein Platz ist in der Schmiede meines Vaters«, entgegnete er brüsk und zog seine Hand zurück. »Du weißt, dass er keinen anderen Sohn hat als mich. Und seinen Gesellen wird er die Schmiede nicht überlassen wollen.«
Und genauso wenig würde ich meine Herkunft vergessen und als Frau eines Schmiedes leben können, das wusste ich.
Doch warum machte ich mir darüber plötzlich Gedanken? Jules und ich waren doch nur Freunde, weiter nichts! Und die konnten wir doch auch bleiben, wenn die Mörder bestraft waren.
Als er von den Schmiedegesellen sprach, fragte ich mich, was mit Jacques war. Waren er und François sich in die Haare geraten? Oder schwiegen sie über den Vorfall? Ich wollte Jules nicht danach fragen. Nicht jetzt, wo er gerade erfahren hatte, was für einer Gefahr ich ausgesetzt gewesen war.
»Wollen wir ein wenig fechten üben?«, fragte ich stattdessen.
Jules schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Nein, heute nicht. Ich muss wieder zurück. Und du auch, wenn du keinen Ärger mit deinem Dienstherrn bekommen willst.«
Sein abweisender Ton verletzte mich ein wenig. Was war nur los mit ihm?
»In Ordnung, dann ein anderes Mal.«
Jules nickte. »Pass auf dich auf.« Dann wandte er sich ab.
»Wann treffen wir uns wieder?«, fragte ich und brachte ihn damit dazu, stehen zu bleiben.
»Ich werde jeden zweiten Tag hierherkommen und Ausschau nach dir halten. Wenn du kommst, ist es gut, wenn nicht, gehe ich wieder.«
Er sah mich noch einmal traurig an, dann machte er sich auf den Rückweg. Diesmal hielt ich ihn nicht zurück. Eigentlich hatte ich mit ihm meine Freude über meinen Erfolg teilen wollen, jetzt bildete sich ein dicker Kloß in meinem Magen.
Warum verstand er nicht, dass ich tat, was ich tun musste?
Meine Beklommenheit begleitete mich durch die Porte Saint-Germain zurück zu Athos’ Haus. Noch war er nicht zurück. Das erleichterte mich zwar, aber so richtig froh war ich darüber nicht, denn nun hatte ich Zeit, über Jules nachzudenken.
Um mich abzulenken, schaute ich nach Margot, dem ergrauten Pferd, das den Namen der Tante unseres verstorbenen Königs trug. Sie erhielt ihr Gnadenbrot von Athos, während er mit Basil, dem Rappenwallach, heute zur Kaserne geritten war.
Die alte Stute war gutmütig, doch ich bezweifelte, dass sie noch weite Strecken im Galopp zurücklegen konnte. Ich striegelte sie, jetzt wohl schon etwas besser als beim ersten Mal, denn diesmal wollte sie mich nicht erdrücken, sondern schnaufte zufrieden.
Als ich auch damit fertig war, zog ich mich ins Haus zurück. Ich hätte ein Abendessen bereiten können, doch abgesehen davon, dass ich das nicht konnte, war ich auch keine Köchin, sondern ein Diener. Vielleicht würde mich Athos diesmal aber in eine Schenke schicken, um etwas zu
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